Der Geisterfahrer
möglichen Speisen zu offerieren, aber er wollte nur Fleisch. Nicht einmal Fisch nahm er an, und wenn ich versuchte, ihm etwas Billiges zu füttern, Kutteln etwa oder ein Hühnerherz, dann drehte er bloß den Kopf auf die Seite, manchmal fauchte er auch dazu. Es musste gutes Fleisch sein, dasselbe, das auch ich aß, und er wollte es nicht roh, sondern gebraten. Bald wurde er so aufdringlich, dass ich ihm immer ein ganzes Stück geben musste, ich fing also an, für zwei einzukaufen, und der Metzger lächelte, wenn er mir die Stücke schnitt.
Nun muss ich etwas erwähnen, das nicht sehr appetitlich ist, aber es spielte für mich eine große Rolle. Solange der Teufel mit Wasser zufrieden gewesen war, hatte ich nie irgendwelche Exkremente gesehen, nicht einmal Urin, sein Körper hatte offenbar alles bis zum letzten Tropfen verarbeitet. Seit er aber aß, begann er kleine Haufen zu scheißen, die fast flüssig waren, wie von jemandem, der Durchfall hat. Wenn er seinen Kot herauspresste, rann ihm immer ein Teil davon den Beinen entlang hinunter und verkrustete. Dieser Kot verbreitete einen widerlichen Geruch, sodass ich jeden Abend den ganzen Käfig putzen musste und auch die Beine des Teufels mit einem Lappen reinigte, den ich zuvor in Spiritus tauchte. Besonders ekelte mich, dass er seinen Kot immer in den Wassernapf abgab, sodass ich jedes Mal auch den Napf von Grund auf reinigen musste. Öfters pisste er mit offensichtlichem Genuss zwischen den Stäben des Käfigs hinaus, wodurch ich gezwungen war, die ganze Kommode, auf der er stand, mit Plastik zu bedecken.
Dies alles gab sehr viel Arbeit, zudem begann sich der Gestank allmählich einzunisten und verflüchtigte sich auch nach der täglichen Reinigung nicht mehr ganz. Ich erwog, ob ich den Teufel etwa vor das Fenster hängen sollte, aber mir war aufgefallen, dass er schon mit den Zähnen zu klappern begann, wenn ich nur eine Viertelstunde lüftete, er schien also ausgesprochen wärmeliebend zu sein.
Wenn ich ihm jeweils seine Beine säuberte, eine Handlung, die er sehr gerne geschehen ließ, durfte er nachher noch etwas in der Wohnung herumlaufen. Er bewegte sich nicht sehr geschickt, ging aufrecht auf seinen zwei Beinen, und wenn er etwas betrachten wollte, das in der Höhe lag, musste ich ihn hinaufheben, er pflegte dann mit seinem Kopf nach oben zu deuten und dazu kurz zu husten. Das erstemal hob ich ihn vor meinem Büchergestell hoch, wo er das oberste Regal sehen wollte. Dort zerrte er sofort ein Buch heraus, warf es auf den Boden, sprang von oben hinunter und trampelte mit zornigem Geheul darauf herum, bis es zerfetzt war. Dieses Buch war die Bibel.
Seine Abneigung gegen alles, was mit Religion zusammenhing, wurde nun von Tag zu Tag deutlicher. So wollte er einmal ein Landschaftsbild ansehen, das bei mir im Korridor hing, und nachdem ich ihn hinaufgehoben hatte, zertrümmerte er mit einem scharfen Huftritt das Glas des Wechselrahmens und schränzte mit seinen Klauen einen Kirchturm heraus, der so weit hinten am Horizont gemalt war, dass er mir vorher noch gar nie aufgefallen war.
Am schwierigsten war er an Sonntagen zu haben. Jedes Mal, wenn die Glocken zum Kirchgang läuteten, begann der Teufel zu wimmern, hockte sich in eine Ecke des
Käfigs und schaute mich so traurig und verzweifelt an, dass ich mich mit seinem Schmerz beschäftigen musste. Anfangs wusste ich nicht, was tun. Ich schloss die Fensterläden und die Fenster, zog die Vorhänge, sodass man das Geläute nur noch gedämpft hörte, aber der Teufel schaute genau so erbärmlich drein. Ich zeigte ihm das Kalbfleisch, das ich ihm für den Mittag zugedacht hatte, aber er blickte mich fast beleidigt an. Ich begann so laut zu singen, dass man die Glocken nicht mehr hörte, aber es nützte nichts. Meistens gab ich dann meine Versuche wieder auf, nur war es mir nicht mehr möglich, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Einmal wurde ich so wütend, dass ich die Läden mit einem Fluch wieder aufriss und die Fenster offenstehen ließ. Da war der Teufel sofort ruhig und schaute mich mit einem dankbaren Blick an. Daraufhin verbrachte ich einen ungestörten Sonntag, und als ihn gegen Abend wieder die Glocken zu quälen begannen, fluchte ich noch einmal hörbar, und er beruhigte sich.
Nun wurde er aber immer anspruchsvoller, und bald konnte ich ihn nur noch trösten, indem ich ihm während des Läutens die Hand hielt, die er zum Käfig hinausstreckte, und leise, aber eindringlich vor mich her fluchte.
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