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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer
Autoren: Franz Hohler
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am Morgen nachschauen würde, wenn ich wegging, und auf und ab hüpfen würde, wenn ich am Abend nach Hause käme. Als dieses Bedürfnis mehrere Tage anhielt, beschloss ich, ihm nachzugeben, und suchte eine Tierhandlung auf.
    Von Anfang an richtete ich mein Augenmerk auf etwas Pelziges, doch fand ich nicht leicht ein Tier, das meinen unbestimmten, aber doch genauen Vorstellungen entsprach. Die Schwierigkeit war, dass ich nicht sagen konnte, was ich eigentlich wollte, ich sah nur, dass ich die Tiere, die ausgestellt waren, nicht wollte. Ein Hamster zum Beispiel wäre zwar interessant gewesen, doch befürchtete ich, er würde kaum persönliche Notiz von mir nehmen, auch Meerschweinchen und weiße Mäuse waren mir aus diesem Grunde wenig sympathisch, bei den letzteren stieß mich auch die Geschäftigkeit ab, in der ich keinen Sinn sah. Ein Hund hingegen hätte mir zuviel abverlangt, und einer Katze hätte ich wieder jede Abwesenheit
übelgenommen. Das Zwergkaninchen, das in der Handlung angeboten wurde, wäre vielleicht so etwas gewesen, wie ich mir vorstellte, aber dann störte mich plötzlich das durch Zucht Herabgeminderte, hinter dem ich auch eine Verzwergung seiner Emotionen vermutete. Ein Äffchen schien mir so voller Bewegungsdrang, dass ich es nicht hätte einsperren mögen, und damit war die Auswahl an pelzigen Tieren erschöpft.
    Ich fragte den Händler nochmals, und da holte er aus dem Hintergemach des Ladens einen Käfig, in dem ein kleiner Pelzklumpen neben einem Futternapf in einer Ecke lag. Sogleich wusste ich, dass ich dieses Tier haben wollte. Der Händler sagte, es sei eben erst aus Malaya eingetroffen, und da die Lieferpapiere unterwegs verlorengegangen seien, wisse er nicht einmal, wie es heiße, vermutlich etwas wie ein Faultier oder eine Beutelratte, es habe sich bisher nicht aufgerollt, auch möchte er es noch eine Weile bei sich behalten.
    Der Preis, den ich ihm bot, war aber so hoch, dass er augenblicklich in den Verkauf einwilligte. Er gab mir einige Ratschläge bezüglich des Futters, es war etwa das, was man einem Affen geben würde, Früchte, spanische Nüsschen, jeden Tag frisches Wasser und eine Mischung aus vitaminisierten Körnern, von der ich einen Sack mitnahm. Ich kaufte noch eine Veilchenwurzel für die Zähne dazu, dann verließ ich den Laden und trug den Käfig, der ziemlich groß war, zu mir nach Hause, wo ich ihn auf eine Kommode stellte.
    Ich setzte mich vor den Käfig und wartete eine Stunde oder zwei, aber der Pelzklumpen bewegte sich nicht, ich
konnte nicht einmal sehen, ob er atmete. Als ich aber die Finger durch das Gitter streckte und sein Fell berührte, war es warm.
    Ich legte ihm nun die Hälfte einer geschälten Banane hinein, dazu einen zerkleinerten Apfel und einige Vitaminkörner, füllte seinen Napf mit frischem Wasser und entfernte mich aus der Wohnung. Als ich am späten Abend zurückkam und Licht machte, sah ich, dass das Essen noch genauso dalag, wie ich es hingetan hatte, aber das Wasser war ausgetrunken.
    Am andern Morgen lag das Tier immer noch in der Ecke des Käfigs und hatte nichts vom Futter genommen. Da die Banane und der Apfel braun geworden waren, nahm ich sie heraus, ersetzte sie durch neue und füllte den Wassertopf wieder auf.
    Am Abend, als ich zurückkam, war die Nahrung unberührt, der Napf jedoch leer, und unter dem Pelz schaute jetzt eine Pfote hervor. Diese Pfote war zwar eher eine Hand, sie bestand aus fünf schwarzen, runzligen, leicht behaarten Fingern, die, soviel ich sah, außerordentlich scharfe Nägel hatten. Also doch ein Affe, dachte ich. Dann berührte ich die Hand mit der Fingerspitze, da zog sie sich sogleich unter den Pelz zurück.
    Das Tier schien überhaupt kein Essen zu brauchen, es trank nur immer seinen Napf leer, zweimal am Tag, und es ging sehr lange, bis ich mehr als einzelne Teile von ihm zu sehen bekam. Das nächste nach der kleinen Hand war ein Schwanz, der plötzlich zum Käfig heraushing und über dessen Länge ich mich wunderte. Als ich ihn berührte, schien er mir schlaff und unmuskulös, jedenfalls
war es kaum denkbar, dass sich das Tier damit an einem Ast festwickeln konnte. Auch erstaunte mich die Quaste des Schwanzes. Sobald ich jedoch ein bisschen daran zupfte, verschwand der Schwanz wieder unter dem Pelz.
    Ich nahm nun an, dass es sich entweder um ein Faultier oder eine Meerkatzenart handelte, bis ich eines Morgens einen Fuß sah. Dieser Fuß, der da unter dem Pelz hervorschaute, da war gar kein Zweifel
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