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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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jedoch weiter, suchte aber in seiner Jacke nach irgend etwas, brachte dann eine Brille hervor, die er zusammen mit dem Papier weit von sich hielt. Dann schnaufte er nur noch und begann zu buchstabieren. Schließlich las er leise, und er schob dabei das linke Brillenglas die Zeilen entlang. Ab und an sah er auf und musterte zuerst Boderow, dann die anderen beiden mißtrauisch, die geduldig dastanden, in der Gewißheit einer friedlichen Lösung des Konflikts. Das teilte sich sichtlich den Zuschauern mit, denn diese begannen sich zu zerstreuen.
     In Euphorie brach der Alte nicht aus. »Das kann man ja nicht wissen«, räsonierte er. »Ihr hättet euch ja anmelden können!« Und noch voller Argwohn musterte er die drei. »Noch nie hat einer Ausgrabungen im Sonntagsanzug gemacht.«
     »Unser Gepäck ist noch nicht alles da«, log Anora. »Aber hier soll etwas sein, und wir sind neugierig, Väterchen.«
     Nun griff auch noch Nasreddin ein. Er holte aus den unendlichen Tiefen seines Chalats eine zerknitterte Packung hervor und bot dem Alten eine Papirossa an.
    Ohne den Blick von den dreien zu lassen, nahm sie der Alte, kramte, weil Nasreddin durch eine Geste bedeutete, daß er kein Feuer habe, in der Jacke und brannte sich die Zigarette an. »Denkt nicht, daß ihr mich bestechen könnt«, brummte er. Er tat einige Züge, trat an den Pfeiler, stieß die Spitze seines Schuhs in das von Boderow erzeugte Ziegelmehl. »Hier soll etwas sein? Daß ich nicht lache. Zu Hunderten haben sie hier herumgeschnüffelt. Ha! Einen Bären haben sie euch aufgebunden.«
     »Hier ist was, Väterchen, das kannst du glauben!« sagte Nasreddin mit geheimnisvoller Miene.
     »So? Na, wenn du das sagst!« Der Alte zwinkerte und verzog spöttisch das Gesicht, wobei sich die Haut in tausend Fältchen zog.
     »Haben Sie ein wenig Werkzeug?« fragte Boderow behutsam.
     Der Alte tat, als überlege er, ob diese Grabschänder wohl seiner Hilfe würdig wären. Dann drehte er sich wortlos um, durchschritt das Ruinentor, man hörte eine Türangel schnarren, und schließlich kam er mit einer Spitzhacke zurück. »Die brauche ich für die Gräben, damit das Wasser abfließt, wenn es regnet«, murmelte er. »Suche, Söhnchen, suche nur!« Und er hielt Boderow schadenfroh das schwere Werkzeug hin. Immerhin standen sie in der prallen Sonne, und die Lufttemperatur mochte annähernd dreißig Grad betragen.
     Boderow lockerte die Krawatte, nahm die Hacke, setzte den ersten Schlag so geschickt in die Fuge, daß der Ziegel im Ganzen wegflog.
    Unter dem Ziegel wurde die Fläche eines zweiten Ziegels sichtbar. Boderow blickte auf Nasreddin, der hob die Schultern, zeigte sich aber keineswegs irritiert. »Ist schließlich eine Weile her«, sagte er mit Spott, »da kann man sich schon in der Anzahl der Ziegel irren. Hau schon zu!«
     Der nächste Ziegel flog und der nächste. Dazwischen nickte Nasreddin dem von Schlag zu Schlag mißtrauischer blickenden Boderow aufmunternd zu.
     Der vierte Ziegel, nun schon ein Stück von der Verwitterungszone entfernt, war widerstandsfähiger. Boderow mußte mehrmals zuschlagen, bevor er sich löste. »Weiter?« fragte er, das gerötete schweißnasse Gesicht auf Nasreddin gerichtet. »Weiter«, sagte der bestimmt.
     »Ihr schlagt alles kaputt für nichts und wieder nichts!« jammerte der Alte.
     Der fünfte Ziegel jedoch, viel zu kräftig angegangen, flog Boderow gegen den Knöchel, daß der Archäologe die Hacke fallen ließ, beide Hände um den Fuß legte und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Bein herumsprang.
     Dieser Ziegel aber diente gleichsam als Deckel einer viereckigen Öffnung, hatte also nur Verbindung mit schmalen Ziegelstreifen gehabt und war deshalb so leicht zu entfernen gewesen.
     Anora blickte auf den stöhnenden Boderow, der hatte sekundenlang nur Sinn für seinen Fuß.
     Nasreddin kniete bedächtig nieder, schüttelte den Ärmel des Chalats nach oben, und dann versenkte er den Arm vorsichtig in der dunklen Öffnung. Der Alte stand daneben, leise und schadenfroh über das Mißgeschick Boderows vor sich hin lachend.
    Als Nasreddin mit himmelwärts gerichtetem Blick und Triumph im Gesicht in einer merkwürdigen Stellung verharrte – seine verschwundene Hand tastete nicht mehr, sie schien ge funden zu haben, was sie suchte –, wurden die Passanten, die ausgeharrt hatten, aufmerksam.
     Im Nu hatte Boderow seinen Knöchel vergessen. Er warf sich förmlich auf die Knie, rutschte auf Nasreddin äußerst
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