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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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Usbeken sicher, wie das dunkle Haar und der Teint verrieten, der mitten in einer Geste verharrte und so eine seltsame Figur abgab, als sich Anora jäh von ihm abwandte und Nasreddin ein paar Schritte entgegenkam.
     Auch als sie mit dem Ankömmling auf den Mann zuging, stand der, als hätte er einen Hexenschuß, so daß Anora erstaunt blickte. Nasreddin sah, da der Fremde kein Auge von ihm ließ, irritiert an sich hinunter, und weil er nichts Befremdliches feststellte, fragte er, ob jener noch keinen Mann im Chalat gesehen habe.
     »D-doch, doch!« Und endlich löste sich die Starre, und der Mann lachte breit. »Entschuldigen Sie«, setzte er hinzu. »Der leibhaftige Nasreddin begegnet einem nicht jeden Tag.«
     »Da will ich nicht widersprechen«, entgegnete Nasreddin schmunzelnd. »Ich habe dich noch nie gesehen.«
    Sie lachten, und mit diesem Lachen schien von dem Mann der letzte Rest Steifheit abzufallen, und auch Anora schien sichtlich erleichtert. »Das ist Alischer Boderow«, stellte sie vor. »Erinnerst du dich? In dem, was ich dir erzählte, spielte er eine Rolle.«
     »Aha«, Nasreddin lächelte verstehend. »Der Kopfaushändiger! Also, wenn du ihr nicht auf den Leim gegangen wärst, hätte wohl heute das Treffen nicht stattgefunden, was?«
     Sie lachten abermals. Aber höchst verwundert schüttelte Boderow dabei den Kopf, den Blick gleichsam im Gesicht Nasreddins verankert. Dann aber riß er sich los und scherzte. »Wer schon kann ihr widerstehen!« sagte er und verbeugte sich leicht vor der Frau.
     »Du hast recht«, bestätigte Nasreddin, »sie erweckt Tote – und je länger diese sich bei Allah befanden, desto besser.« Wieder lachten sie.
     »Ich habe mir das nicht so vorgestellt, Nasreddin«, gab Boderow zu, »und wenn ich dich so sehe und höre, entschuldige, ich fasse es nicht.« Er sah hilflos zu Anora, als erheische er von ihr ein Zeichen, daß alles nicht wahr, nur ein Scherz sei.
     »Du meinst, ich bin ein Schwindler?« fragte Nasreddin. In seinen Augen saß der Schalk. »Meinst du das?« Er fragte eindringlich, als wolle er die Zustimmung provozieren.
     »Nicht doch, Nasreddin!« mahnte Anora. Doch sie spürte, daß dem anderen daran lag, seine Identität bezweifelt zu sehen.
    Nasreddins Gesicht war voller Spannung, als hätte ein Kind jemandem etwas geschenkt, das nun ungeduldig darauf brannte, daß jener die Verpackung löste und in Freude ausbrach.
     Deshalb sagte Anora obenhin: »So recht geglaubt hat er’s mir nie.«
     Und plötzlich ging Nasreddin los. Er packte die beiden, die nicht wußten, wie ihnen geschah, an den Handgelenken und zog sie zum Eingang. »Kommt mit, kommt mit«, rief er, und einen Widerspruch oder gar Widerstand schloß der Ton, in dem er das rief, völlig aus. Dabei biß er sich auf die Lippen, und seine Augen funkelten: Ihr werdet gleich sehen, ihr Ignoranten, gleich wird mein Gelächter über eure Verdatterung herfallen! »Kommt, kommt!« rief er abermals, so daß etliche der Leute in der Halle aufmerksam das Trio betrachteten und eilfertig dort Platz machten, wo Nasreddin mit seinem Gefolge hinstürmte.
     Anora nickte Boderow zu, bedeutete ihm damit, Nasreddin gewähren zu lassen. Draußen rief sie: »Nasreddin, nicht so schnell, was ist? Wir kommen ja mit! Sag, wohin…«
     Einen Augenblick verhielt er, ließ die Handgelenke los, sah sich aber oftmals um, ob die beiden ihm tatsächlich folgten. Mehrmals sagte er, gespielt wichtigtuerisch: »Ihr werdet schon sehen! Noch mal zweifelt keiner an Nasreddin, dem berühmten Chodscha!«
     Er stürmte mit ihnen zum Gur-Emir. Die Touristen hielten offenbar Mittag, denn ausnahmsweise stand kein Bus auf dem Platz. Schnurstracks durchschritt Nasreddin das Portal, sah sich um, hielt sich aber rechts, ging nicht auf den Eingang zum Mausoleum, sondern auf die Ruine der Khanaka zu.
    Längst ahnten Anora und Boderow, daß Nasreddin mit ihnen keinen Spaß vorhatte, sondern tatsächlich etwas Wesentliches bevorstand. Sie folgten gespannt seinem Tun.
     Vor dem rechten halben und in der Substanz recht verwitterten Pfeiler des ehemaligen Tors zur Herberge blieb er stehen, musterte die Ecke mit schief gehaltenem Kopf, trat einige Schritte zur Seite, betrachtete wieder, dann ging er sicher auf die Ecke zu und hockte sich nieder. Dabei murmelte er Unverständliches. Mit dem Zeigefinger fuhr er in einer Mauerfuge entlang, daß der trockene Lehm rieselte.
     Doch dann besann er sich offenbar eines anderen. Er stand auf, trat
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