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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi
Autoren: Alexander Kröger
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jetzt, daß ich jener Nasreddin bin, der Timur kannte und den diese Schöne dort in euer Leben rief? Glaubst du das?«
     »Ich glaub’s nicht nur, ich weiß es jetzt. Nachdrücklicher hättest du es uns nicht klarmachen können!«
     »Gut, gut.« Nasreddin rekelte sich in heiterer Herablassung, worüber die beiden doch lachen mußten. »Ihr werdet enttäuscht sein«, begann er.
    »Unmöglich!« Boderow stöhnte.
    Salopp berichtete Nasreddin: »Ich habe dem Bau dieses Dings, dieses Gur-Emir, tagelang, wochenlang zugeschaut. Zum Teil aus sehr persönlichem Interesse.« Betont fuhr er sich mit dem Finger über den Hals. »Ich hatte nämlich Gelegenheit, schon damals geköpft zu werden. Das wäre sehr schade gewesen, denn dann wärt ihr um den Kopf gekommen. Also – da gab es auf dem Bau einen Aufseher namens Boder…« Boderow verzog das Gesicht, weil sein Familienname aus diesem Vornamen gebildet war. »Boder, der Tapfere. Aber tapfer war er nur, wenn er getrunken hatte, und da ging er mit der Neunschwänzigen bei den geringsten Anlässen auf die Arbeiter los. Natürlich wahrte er den Schein, ein guter Moslem zu sein, deshalb trank er heimlich. Aber in den Tagen des Umbaus, als Tag und Nacht gearbeitet wurde, ließ er sich den Wein bringen, verbarg ihn und nahm ab und an einen Schluck. Man hat ihm einfach einen Streich gespielt und einen der Krüge eingemauert. Ich habe es beobachtet, das ist alles. Heute, als ich bei – ihm war, habe ich mich an diese Episode erinnert…« Nasreddin war nachdenklich geworden, die beiden anderen schwiegen. Das Ungeheuerliche des Augenblicks hatte die drei Menschen gepackt.
     Dann legte Boderow seine Hand auf die Anoras, sah sie an und sagte, und es sollte heiter klingen: »Ich schätze, zu einem Viertel ist sie noch voll. Und ich schwöre, daß wir drei einen Schluck davon trinken!«
     »Allah verbietet es dem gläubigen Moslem«, warf Nasreddin unernst ein.
    »Er wird ein Auge zudrücken…«

    Nasreddin gab sich merkwürdig wortkarg in Buchara. Vom Flugzeug aus sahen sie nicht viel von der Stadt. Als sie im Taxi hineinfuhren, sog er gleichsam mit den Augen alles, was sich links und rechts der Straße tat, in sich ein, aber er sprach nicht viel, schien jedoch unruhig zu sein.
     Anora und Boderow ahnten, was den Freund so erregte. Boderow überließ daher Anora alle Anmeldeformalitäten und stürzte, im Hotel »Buchara« angekommen, sofort an ein Telefon, und dort sah man ihn von der Rezeption aus eine Zeitlang intensiv auf jemanden einreden. Als er zurückkam, machte er ein zufriedenes Gesicht. »Ich habe erreicht, Nasreddin, daß du mit – ihr allein sein wirst, so lange du willst. Morgen schon. Zufrieden?« Und er klopfte ihm auf die Schulter.
    Von Stund an war Nasreddin wieder der alte. Mehr noch. Seine Erregung machte ihn offenbar tatendurstig, und er drängte, so bald wie möglich in die Stadt zu gehen, das sagenhafte Buchara anzuschauen. Er brachte so Anora um eine Mittagsrast…
    Anora bestand darauf, daß sich Nasreddin von Buchara zuallererst das Ensemble der Medresen Kukeltasch und Nadir Diwanbigi anschauen solle. Da ihm die Reihenfolge gleichgültig war, stimmte er zu. Der Weg führte durch die Altstadt, und Nasreddin fiel erneut auf, wie zählebig doch das Hergebrachte sein konnte. Wäre da nicht, längs der Häuser und straßenüberspannend, ein Gewirr von Rohren und Drähten gewesen – darinnen sollten Gas und jene Kraft fließen, die sie heute Strom nannten und die Maschinen trieb und Licht machte und die einen durchfuhr, als wäre sie der Leibhaftige; auch sprechen konnte man durch Drähte –, man hätte meinen können, die Zeit stünde still, betrachtete man das oberflächlich.
     Freilich, und vom Hotel aus wurde es sehr deutlich, blickte man auf die Peripherie der Stadt: welch gewaltige Anhäufung neuer Häuser, und in jeder Wohnung, so Anora, konnte man Wasser aus der Wand zapfen wie in den Zimmern des Hotels, die Feuerstellen wurden nicht mehr mit Kamelmist unterhalten, sondern eben mit jenem Gas, das man erbohren konnte und das aus dem Erdinnern strömte. Lebendige Bilder konnte man sich ebenso ins Haus holen wie das Unerklärbare, das durch Drähte kroch und Ventilatoren zum Rotieren brachte und Maschinen, die den Staub in sich hineinfraßen, und…
    Nasreddin hatte längst nicht alles behalten, was es noch an Wundersamem dort gab. Und wenn das auch alles Ungläubige waren, Allah hatte sie offenbar nicht mit seinem Bann belegt, sie mußten ihm wohl
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