Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des großen Büffel

Der Geist des großen Büffel

Titel: Der Geist des großen Büffel
Autoren: Max Kruse
Vom Netzwerk:
„Wandere mit deinen Freunden hinauf in das blaue Gebirge.
Dort findest du das Tal der drei singenden Bären. Mit ihrem wohlklingenden
Wechselgesang begrüßen sie den Aufgang der Sonne und begleiten ihren Untergang.
Ziehe unbemerkt zu ihnen. Wenn sie ihren Sonnengesang singen, wenn das heiße
und das kalte Gestirn gleichzeitig am Himmel stehen, mußt du jedem von ihnen
ein Haar ausreißen...“
    „ Uffuff ...“
    „Wenn
sie dich bemerken, werden sie dich töten. Doch wenn du die drei Haare hast,
dann mußt du sie in eine Hagebutte stecken und diese verschlucken.“
    „ Uffuff ...“
    Ich
glaubte, Cookie Pott leise „Bärenhaare in Hagebutte nach Häuptlingsart“ murmeln
zu hören.
    „Ziehe
dann mit deinen Freunden in das Dorf der Untergegangenen, wo die Hütten tags leerstehen und sich nur
nachts bevölkern. Du kennst es?“
    „Ich
weiß den Weg dorthin.“
    „Du
mußt dem Leichnam des Häuptlings, der auf dem Totengestell liegt, beim Licht
des Vollmondes Pfeil und Bogen wegnehmen , ohne dich
von seinen toten Stammesbrüdern daran hindern zu lassen. Beachte sie gar nicht.
Du mußt diesen Bogen haben und diesen Pfeil, dessen Spitze aus Feuerstein
gearbeitet ist, diese beiden und keine anderen. Und — das merke wohl — du hast
nur diesen einen Pfeil!“
    „Was
soll ich damit?“
    „Du
wirst unbemerkt ins Lager der Nachkommen meines Stammes, ins Lager der
Kalbfell-Indianer gehen und wirst Zitternde Feder rufen. Häuptling Kleiner
Stier wird dich gefangennehmen wollen. Frage ihn, ob
er immer noch lieber seine Tochter sterben sehen würde, als sie dir zur Squaw
zu geben. Wenn er das bejaht, schieße Zitternde Feder den Pfeil ins Herz. Aber
ziele genau, du hast nur diesen einen Pfeil, und es darf kein anderer sein…“
    „Sie
töten?“ stöhnte Häuptling Blinde Kuh.
    „Das
sagte ich nicht! Doch du hast geschworen, alle meine Bedingungen zu erfüllen. —
Nun werden dich die Kalbfell-Indianer überwältigen. Sie werden dich an den
Marterpfahl binden. Sie werden dich auf schrecklichste Weise quälen. Du darfst
mit keiner Wimper zucken und keinen Laut des Schreckens von dir geben. Bis zum
Ende mußt du das Hohelied deiner Liebe ertönen lassen. Die drei Haare der
singenden Bären werden dir Kraft und eine mächtige Stimme verleihen...“
    „Wohl
will ich sterben, wenn ich Zitternde Feder töten müßte. Aber dann, großer
Häuptling, was wird dann geschehen?“
    „Dann
wird man deinen leblosen Körper neben den von Zitternder Feder legen und den
Holzstoß unter euch anzünden.
    So
seid ihr vereint. Mehr kannst auch du nicht tun — alles andere ist mein Werk.“
    Diese
letzte Bemerkung des Geistes tröstete und beruhigte mich. Und da er nun
offenbar alles gesagt hatte, hörte er auf zu leuchten und verblaßte so vollkommen, daß nichts mehr an seine Gegenwart erinnerte.
    Ich
fröstelte — und das nicht nur, weil die Nacht kalt war. Es wäre nur natürlich
gewesen, wenn uns nach dieser bewegenden Erscheinung der Schlummer geflohen
hätte. Aber wir fielen alle rasch in einen tiefen Schlaf.
    Bei
heiterstem Wetter erwachte ich. Meine erste Sorge galt Häuptling Blinde Kuh.
Ich hätte nicht in seiner Haut stecken mögen. Aber des Menschen Herz ist
seltsam. Mein roter Bruder wirkte vollkommen gelassen.
    Zahlreiche
Krokodile lagen am Ufer. Ich kann nicht behaupten, daß ihr Anblick durch das
Tageslicht an Reiz gewann. Ihren Anführer glaubte ich nicht zu sehen. Freilich
— wie hätte ich ihn erkennen können? — Aber es fiel auf, daß meine Vorfahren
sich im Planwagen zu schaffen machten, dort drinnen herumkicherten und die
Kisten rückten. Ich wollte sie fragen, was sie da machten, vergaß es aber, da
Häuptling Blinde Kuh zum Aufbruch drängte und wir den Platz verließen, der auf
so vielfältige Weise für uns zum Ereignis geworden war.

Gesang im Alpenglühen und das Geisterdorf
     
    Wir
hatten eine Tagesreise vor uns, die zunächst über die freie, dahinwellende
Prärie ging. Gegen Abend erreichten wir einen Platz, der von hohen Felsen
umgeben war. Wir hatten das Gebirge erreicht. „Hier lagern wir“, erklärte der
Häuptling. „Wenn ich mich beeile, komme ich noch zur rechten Stunde in die
Höhe, wenn das heiße und das kalte Gestirn gleichzeitig am Himmel stehen. Das
ist heute kurz vor Sonnenuntergang.“ Riesenbäume standen so eng am Gestein, daß
man über ihre Äste hinaufklimmen konnte. Häuptling Blinde Kuh tat es als
erster. Ich entledigte mich meiner Jacke und folgte ihm. Auch meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher