Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des großen Büffel

Der Geist des großen Büffel

Titel: Der Geist des großen Büffel
Autoren: Max Kruse
Vom Netzwerk:
noch zu berichten, daß Häuptling Blinde Kuh auf
dem Rückweg eine Hagebutte vom Strauch riß, sie aufschnitt, ausschälte und die
drei Haare hineinlegte. Dann schluckte er dieses Gericht hinunter.
    „Wohl bekomm’s !“ wünschte Tante Turkie .
    Cookie
Pott erwartete uns mit frisch aufgebrühtem Hagebuttentee. Der war zwar nicht
ganz nach meinem Geschmack, aber er paßte vortrefflich zu der Beere im Magen unseres Häuptlings.
    In
aller Morgenfrühe zogen wir weiter. Ein Blick zurück ist mir unvergeßlich geblieben auf die Berge der singenden Bären.
Sie ragten himmelhoch, purpurrot ihr Fuß, silbern ihr
Gipfel. Ich machte eine Aufnahme, doch hat sie mich später enttäuscht, das
bezaubernde Farbspiel fehlte.
    Am
späten Abend erreichten wir das ausgestorbene Dorf. Es lag an einem ebenso
toten, ausgetrockneten Fluß und machte einen schaurig öden Eindruck. Halb
verfallen waren die Hütten. Zerbrochene Zeltstangen und Tierhäute lagen herum,
sogar vermoderte Mokassins.
    In
seiner Mitte, auf einem runden Platz, waren noch deutliche Spuren früherer
Feuerstellen zu finden. Hier entdeckten wir auch das Begräbnisgerüst auf
schwarz und rot bemalten Pfählen. Es war leer, bis auf einen Aschenhaufen und
dazwischen einige angekohlte und verrottete Fell- und Stoffetzen ,
vermutlich Reste eines Leichengewandes.
    Mir
behagte es in diesem nach Moder riechenden, heruntergekommenen Ort keineswegs,
daher beschloß ich, unser Nachtlager an seinem Rande aufzuschlagen, wo drei
verkrüppelte Birken ein wenig lebendig wirkten.
    Tante Turkie , Onkel Rab und Onkel
Berni befanden sich in der allerbesten Laune. Sie waren voller Vorfreude. Onkel Rab schirrte Pfefferkorn ab, rieb sie trocken und
legte ihr eine Decke über den Rücken.
    Ich
nickte ein und erwachte gegen Mitternacht. Es war finster, aber der Mond,
verborgen hinter einem dünnen Nebelschleier, legte einen bleichen Schein über
alles: eine schattenlose Welt.
    Häuptling
Blinde Kuh saß schon in Tatatitas Sattel. Onkel Rab auf Pfefferkorn. Seine aus der Hutkrempe herauslugenden
Kaninchenohren wirkten fast wie Adlerfedern, und so mochte man ihn selbst für
einen Indianerhäuptling halten. Ich setzte meinen Zylinder auf und klemmte das
Schirmgewehr unter den Arm. Cookie Pott zeigte keine Neigung, uns in das Dorf
zu folgen. „Ich kann mich beherrschen“, brummte er, „gleich zehn Dutzend
Geister auf einmal... Und womöglich fassen sie uns an! Da verzieh ich mich
lieber.“ Ich riet ihm, sich im Planwagen die Decke über den Kopf zu ziehen.
Zuerst fiel mir das Rauschen des Flusses auf. Am Abend war er vollkommen
ausgetrocknet gewesen. Nun aber schien er vor Wasser überzuquellen.
    Gleich
darauf begann das Trommeln, danach erklang die große Pauke. Doch das war erst
der Anfang. Rasende Stimmen jammerten im Dorf, tiefstes, aus den Kehlen kommendes
Geheul, höchstes Gekreisch, schrill wie Trillerpfeifen.
    „Alle
Achtung“, meinte Onkel Berni. Tante Turkie sträubte
die Federn. Aber Häuptling Blinde Kuh und Onkel Rab trieben die Pferde an.
    Sie
ritten ins Dorf.
    Und
hier war die Hölle los. Viele kleine Feuer loderten. Überall sprangen tanzende
Krieger vorbei, schwenkten Rasseln, ließen Büffelschwänze wirbeln...
    Uns
schenkten sie keine Beachtung.
    Durch
diesen Hexenkessel drangen wir bis zum Platz vor. Hier lag nun der tote
Häuptling in seinen besten Gewändern auf dem Begräbnisgerüst. Auf seiner Brust,
in der geschlossenen Faust, ruhte der Bogen mit dem Pfeil, dessen
Feuersteinspitze magisch leuchtete.

    Böse
und grausam wirkte sein leichenstarres Gesicht, aber auch tief unglücklich. Ein
Medizinmann umkreiste ihn, der erschien mir wie der Teufel persönlich. Aus
seiner Stirn ragten zwei Hörner, sein Gesicht war knallrot angemalt. Er
murmelte unverständliche Drohungen und ließ einen kehligen Gesang ertönen.
    „Möchtest
du den in deinem Kirchenchor haben?“ fragte Onkel Rab Tante Turkie , indem er sich leicht aus dem Sattel
neigte.
    Sie
gackerte unwillig und schritt mit ruckendem Hals voran. Häuptling Blinde Kuh
zügelte Tatatita . Er stieg ab, Onkel Rab jedoch saß auf Pfefferkorn, als sei er ein Denkmal aus
Metall.
    Um
das Begräbnisgerüst wurden Totempfähle aufgerichtet, geschmückt mit bunten
Schnitzereien.
    Jetzt
näherte sich ein Zug fackeltragender Mädchen dem Leichengerüst. Sicher wollten
sie die Scheite entzünden und den Häuptling verbrennen. — Doch nun ging unser
roter Bruder aufrecht zu dem Toten. Er legte seine Hand auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher