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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Er wusste, dass er nicht mehr von dem zu hören bekommen würde, was Berechja jetzt noch mit Eljakim besprach. Es war auch nicht weiter wichtig. Er hatte alles erfahren, was er wissen musste, um nicht blind ins Verderben zu rennen und seine Entscheidung zu treffen. Alles andere musste er nun mit sich selbst ausmachen.
    Doch noch bevor er sich ganz aufgerichtet hatte, nach seinem Wasserkrug greifen und sich im Dunkel der Säulengalerie davonstehlen konnte, hörte er ein leises Knirschen von Stein auf Stein in seinem Rücken. Und mit jähem Erschrecken traf ihn die Erkenntnis, dass er in dieser dunklen Ecke nahe am Treppenaufgang nicht so allein und unbeobachtet war, wie er geglaubt hatte. Er spürte Blicke auf sich gerichtet und glaubte sogar, einen fremden Atem hören zu können.
    Kein Zweifel: Jemand stand hinter ihm!
    Und im selben Moment fragte auch schon eine spöttische, flüsternde Stimme: »Na, genug gehört, Jona?«

2
    Erschrocken zuckte Jona zusammen und beinahe wäre ihm ein kurzer Schrei über die Lippen gekommen. Von der Angst gepackt, dass einer von Berechjas Aufpassern ihn beim Lauschen ertappt hatte, fuhr er herum.
    Doch es war weder der hakennasige Michaja noch der Aufpasser Henoch mit dem fauligen Atem, sondern ein ihm fremder junger Mann. Er schätzte dessen Alter auf achtzehn oder neunzehn Jahre, womit dieser etwa zwei Jahre älter war als er selbst.
    Ganz fremd war ihm das Gesicht des Mannes jedoch nicht, gehörte er doch zu jener fünfköpfigen Gruppe, die von einem anderen Berechja-Gut aus dem Guvrin-Tal am Fuß des judäischen Berglandes kam und die mit ihren beiden Aufpassern, zwei stiernackigen Burschen namens Korach und Bedan, vor einer guten Stunde hier in der Karawanserei zu ihnen gestoßen und mit ihnen im Obergeschoss in einem großen, jedoch dunklen, muffigen Raum einquartiert worden war. Sie zählten damit insgesamt vierzehn Männer, sieben Frauen und fünf Kinder unter zehn Jahren, die ihr aller Herr im heidnischen Tyrus auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen gedachte.
    »Himmel, hast du mich erschreckt!«, stieß Jona hervor, bückte sich nach seinem Steinkrug und wich hastig von der mannshohen Mauer aus Salzsäcken zurück. Immerhin befanden sich Berechja und Eljakim noch ganz in ihrer Nähe. »Sich so von hinten anzuschleichen, gehört sich aber nicht! Ich hätte meinen Krug vor Schreck fallen lassen können, und hättest du mir dann vielleicht den Schaden ersetzt? Wohl kaum!« Dabei entfernte er sich weiter von den aufgetürmten Salzsäcken in Richtung der Stallungen.
    Der fremde Mann folgte ihm. »Was du nicht sagst! Und wie steht es mit dem heimlichen Belauschen seines Herren? Gehört sich das etwa für einen pflichtbewussten Schuldsklaven, Jona?... Jona ist doch dein Name, oder?« Ein spöttisches Lächeln kräuselte seine Lippen.
    »Ja, das ist er«, sagte Jona knapp und mit angespannter Wachsamkeit, während er einen weiteren Säulenbogen zwischen sich und den Ort brachte, an dem er Berechja und Eljakim belauscht hatte. Zu ihrer Rechten standen mehrere Kamele in ihren Pferchen und fraßen hörbar mit malmendem Kiefer, während es zu ihrer Linken hinaus auf den mit Steinplatten ausgelegten quadratischen Innenhof ging. Der Rauch eines Kochfeuers wehte zu ihnen herüber. Es roch nach frisch gebackenen Brotfladen und gebratenem Hammelfleisch. Das ausgelassene Gelächter einer Gruppe von Kameltreibern, die auf mitgebrachten Teppichen und bauschigen Kissen neben dem Tor saßen und einen Krug mit säuerlichem Bier in ihrer Mitte kreisen ließen, erhob sich kurz über alle anderen Geräusche. »Und wer bist du?«
    »Ich bin Timon... Timon ben Talmai, wenn du es genau wissen willst«, sagte er und blieb an Jonas Seite. »Und ich habe den Eindruck, dass wir einiges gemeinsam haben - und zwar nicht nur das zweifelhafte Vergnügen, Schuldsklaven von Berechja zu sein.«
    Jona blieb stehen, musterte ihn kritisch und fragte sich mit leichter Unruhe, was er wohl von ihm halten sollte. Timon war kräftig gebaut, hatte breite Schultern und sehr markante, fast schon herbe Gesichtszüge. Er trug die gleiche verschlissene Kleidung wie er - und wie sie allen einfachen Leuten gemein war: einen weiten, einfachen und einst wohl ockerfarbenen Leibrock aus grober Schafswolle, der bis über die Knie reichte und den manche nach römischer Art auch Tunika nannten; einen primitiven geflochtenen Strick, mit dem das Untergewand in der Taille zusammengebunden wurde und in dem rechts ein Messer in einer
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