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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter
Autoren: Megan Whalen Turner
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dass er irgendwann hören würde, dass sein Name der Königin genannt worden sei. Aber doch nicht so!
    »Ich bin bereit, Teleus Costis’ Leben anzubieten, wenn Teleus willens ist, mein fortdauerndes Wohlergehen zu garantieren.«
    »Er ist der Hauptmann deiner Garde. Dein Wohlergehen ist der Zweck seines Dienstes«, erklärte die Königin.
    »Deiner Garde«, sagte der König.
    »Deiner Garde«, beharrte die Königin.
    »Wie erklärst du dir dann den Sand in meinem Essen? Die Schlange in meinem Bett? Die beharrlichen kleinen Stöße zwischen meine Schulterblätter, wann immer ich am oberen Ende einer langen Treppenflucht stehe?«
    »Eine Schlange«, wiederholte die Königin.
    »Eine schwarze. Sie war harmlos.«
    Costis hatte noch nie etwas wie die Stille gehört, die nun folgte. Sie dehnte sich immer länger aus, als wäre er plötzlich taub geworden, ganz wie das rituelle Schweigen in einem Tempel, nur viel, viel schlimmer.
    »Teleus.« Als die Königin endlich sprach, war es nur ein Flüstern, und sie fauchte den Zischlaut am Ende des Wortes geradezu.
    Costis hörte die Vorhangringe über die Stange gleiten. Teleus musste gleich draußen auf dem Gang gestanden haben. Costis hätte aufschauen können, um dem Hauptmann ins Gesicht zu sehen, aber der Kopf war ihm einige Augenblicke zuvor langsam wieder zu Boden und in die Hände gesunken.
    Sejanus hatte Geschichten über die Streiche erzählt, die dem König von seinen Kammerherren gespielt wurden. In der Runde um den Tisch im Speisesaal hatten sie sich zum Brüllen komisch angehört. Nun klangen sie weniger lustig. Wenn jemand dem König Sand ins Essen streuen konnte, konnte dann nicht auch jemand Gift hineingeben? Wenn jemand ihm eine schwarze Schlange ins Bett legte, warum dann nicht auch eine Viper? Wenn es jemandem gelang, ihn die Treppe hinunterzustoßen … Es gab eddisische Soldaten, hier und da in ganz Attolia postiert. Niemand zweifelte daran, dass sie großen Schaden anrichten konnten, wenn der Krieg mit Eddis erneut ausbrach. Und das würde er, wenn der König in den ersten paar Monaten seiner Herrschaft unter verdächtigen Umständen starb.
    »Am besten hat es mir gefallen«, sagte der König, »wie die Jagdhunde auf dem Hof freigelassen wurden, als ich gerade vorbeikam.«
    Der ganze Palast wusste über den Vorfall mit den Jagdhunden Bescheid. Die Gardisten hatten gelacht und gelacht, als Sejanus einen Bericht aus erster Hand geliefert hatte. Sejanus hatte gesagt, der König hätte solche Angst gehabt, dass er grün angelaufen und auf der Treppe vor den Palasttüren stehen geblieben wäre, bis man die Hunde an die Leine gelegt und fortgezerrt hatte. Er hatte ihrem Wärter gedroht, dass er sämtliche Hunde wie Ziegen schlachten lassen würde, wenn das noch einmal vorkam.
    »Teleus?«, hakte die Königin nach.
    »Ich wusste nichts davon, Euer Majestät.« Es war keine Entschuldigung. Es war das Eingeständnis eines Versagens.
    »Warum hast du nicht schon früher etwas gesagt?«, fragte Attolia den König.
    Als der König antwortete, sprach er langsam: »Weil ich da noch nicht von einem Soldaten meiner eigenen Garde niedergeschlagen worden war.«
    Sejanus hatte behauptet, der König würde der Königin nicht von den Streichen erzählen, weil er nicht zugeben wollte, dass er zu schwach war, mit seinen eigenen Kammerherren fertig zu werden. Er gab zur ständig wachsenden Erheiterung seiner Kammerherren vor, nichts zu bemerken. Doch einen Angriff seiner eigenen Garde konnte die Königin nicht einfach übersehen.
    »Also, ein Handel«, schlug der König vor. »Teleus, ich gebe Euch Costis’ Leben, und Ihr beginnt, Eure Arbeit zu erledigen.«
    Costis kannte die Antwort schon, bevor Teleus sprach. Es war kein Geheimnis, dass der Hauptmann den neuen König verabscheute. Er hätte noch im Höllenfeuer keinen Schluck Wasser von Eugenides angenommen, und schon gar nicht Costis’ Leben.
Costis hatte gemäß den strengen Regeln, die Teleus’ Leben bestimmten, sein Schicksal verdient, und Costis konnte dem  – selbst insgeheim im eigenen Kopf  – nicht widersprechen. Er hatte wieder Zeit, an den Galgen zu denken, der auf dem Paradeplatz errichtet werden würde, daran, wie es sich wohl anfühlen würde, gehängt zu werden, und an die Schmach seines Vaters.
    »Nehmt den Handel an, Teleus«, befahl die Königin übergangslos.
    »Meine Königin?« Auch Teleus konnte seinen Ohren nicht trauen.
    »Nehmt an.«
    »Wie Ihr wünscht, meine Königin«, sagte der Hauptmann
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