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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter
Autoren: Megan Whalen Turner
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fluchend gewälzt und den schönen weißen Stoff seines weiten Hemds beschmutzt hatte.
    »Warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie kannst du nicht wissen, warum du jemanden geschlagen hast?«
    Costis schüttelte den Kopf.
    »Es muss an etwas gelegen haben, das ich gesagt habe. War es das?«
    »Ich weiß es nicht.« Er wusste es durchaus. Der König hatte Teleus sein Mitgefühl dafür ausgesprochen, dass er Männer befehligte, die derart unfähig waren, dass sie zugelassen hatten, dass ihre Königin entführt wurde.
    »Costis, du musst zugeben, dass ich sie wirklich geradewegs vor Eurer Nase entführt habe.«
    »Es lag an nichts von dem, was Ihr gesagt habt. Eu… Eure Majestät hatte natürlich vollkommen recht«, sagte Costis und hasste ihn.
    »Warum dann?«, hakte der König weinerlich nach. »Sag schon, Costis, warum?«
    Costis wusste nicht, warum er sagte, was er als Nächstes sagte; vielleicht tat er es nur, weil er sterben würde und das nicht mit einer Lüge auf den Lippen tun wollte. »Weil Ihr nicht wie ein König ausgesehen habt«, sagte er.
    Der König starrte ihn leicht verwundert an.
    Costis fuhr fort und wurde bei jedem Wort zorniger: »Sejanus sagt, dass Ihr ein Dummkopf seid, und er hat recht. Ihr versteht Euch nicht einmal darauf, nach einem König auszusehen, und noch viel weniger darauf, einer zu sein. Ihr geht nicht wie ein König, Ihr steht nicht wie ein König, Ihr sitzt auf dem Thron wie … wie ein Druckerlehrling in der Schenke.«
    »Und?«
    »Und …«
    »Und da hast du mich mit einem deiner Cousins verwechselt?«
    Costis preschte weiter vor. »Und so hatte Teleus mit allem, was er gesagt hat, recht. Ihr habt nicht das Recht, an den Übungen der Garde teilnehmen zu wollen. Ihr könnt mit den übrigen nichtsnutzigen Adligen aus dem Hofstaat fechten oder eine Garnison von Eddisiern kommen lassen, mit denen Ihr üben könnt, wenn Ihr wollt.«
    »Es gibt in diesem Palast keine eddisischen Soldaten«, unterbrach ihn der König.
    »Sie sind eine halbe Stunde entfernt im Hafen von Thegmis. Sie sind wie Pestbeulen über das ganze Land verteilt. Ihr könnt nach ihnen schicken. Wir sind die Garde der Königin, und Ihr könnt uns in Ruhe lassen. Teleus hatte recht. Ihr habt nicht das Recht…« Entsetzt über seine eigenen Worte hob Costis die Hand, um noch einen Schluck aus seinem Becher zu nehmen, und hielt inne, um einen Blick hineinzuwerfen. Der Becher war
leer. Er drehte ihn zwischen den Fingerspitzen und versuchte nachzudenken. Wie oft hatte der König ihm nachgeschenkt? Hast du heute schon etwas gegessen ?, hatte der König gefragt, bevor er nach Essen geschickt hatte, das noch immer nicht gebracht worden war und von dem er gewusst hatte, dass es nicht bald gebracht werden würde. Wie viele Becher unverdünnten Weins hatte er getrunken? Genug, dass seine Gelenke sich wie Wasser anfühlten und ihm schwindlig war. Genug, dass ihm die Zunge zu lose im Mund saß. Er schaute auf und begegnete dem milden, neugierigen Blick des Königs.
    Er war kein Dummkopf, ganz gleich, was Sejanus sagte. Er war ein gerissener Dreckskerl.
    »Wer hat dich dazu angestiftet?«, fragte der König ruhig.
    »Niemand«, entgegnete Costis scharf.
    »Teleus?«, drängte der König leise. »Sag mir, dass es Teleus war, dann sorge ich dafür, dass du begnadigt wirst.«
    »Nein!«, schrie Costis. Er sprang auf und ballte die Hände zu Fäusten. Der Becher, den er in der Hand gehalten hatte, fiel unbeachtet zu Boden und zerbrach. Er spürte, wie ihm die Hitze des Weins und des Zorns ins Gesicht stieg. Der Türvorhang wurde beiseitegeschlagen.
    Die Königin war eingetroffen.
    Costis schnappte nach Luft, so atemlos, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen. Er hatte sie nicht kommen hören. Er sah Eugenides an, der noch immer auf dem Schemel saß. Der König hatte sich nicht von dem Lärm ablenken lassen, den Costis gemacht hatte. Er musste die Schritte auf dem Gang gehört haben. Er hatte leise gesprochen, damit diejenigen, die sich näherten, ihn nicht hören konnten. Aber sie hatten ganz gewiss Costis gehört. Sie hatten gehört, wie er den König angeschrien hatte. Wie er einen Weinbecher zerschmettert hatte. Und jetzt konnten sie ihn drohend vor dem König aufragen sehen.
    Costis tat einen zittrigen Atemzug. Er wollte den König umbringen. Er wollte weinen. Er fiel vor seiner Königin auf die Knie, neigte den Kopf bis fast zum Boden und barg das Gesicht hinter den Händen, die er noch immer zu Fäusten geballt
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