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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter
Autoren: Megan Whalen Turner
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früher als sonst, als einer der Barackenjungen an seinen Türrahmen klopfte.
    »Befehl des Hauptmanns«, rief er. »Jeder, der keinen Dienst hat, soll in voller Uniform beim Morgensignal auf dem Paradeplatz erscheinen.« Costis konnte hören, wie ein weiterer Junge dieselben Befehle weiter unten im Gang wiederholte.
    »Ich soll mit dem König fechten«, sagte er verschlafen.
    »Heute nicht, lässt der Hauptmann ausrichten; er hat den König gebeten, erst morgen mit den Waffenübungen zu beginnen.«
    »In Ordnung, danke«, sagte Costis, und der Junge ging zur nächsten Tür weiter. Costis schob seine Decke beiseite und stand auf. Aris hatte ihm am Vorabend geholfen, sein Zimmer aufzuräumen, und alles war wieder dort, wo es hingehörte. Die Scherben des zerbrochenen Weinbechers waren zu einem Haufen zusammengekehrt. Der leere Weinkrug des Königs stand immer noch neben dem verbliebenen Becher auf dem Tisch. Wenn Costis Zeit fand, würde er sie zurück in die Palastküche bringen oder einen Jungen damit dorthin schicken müssen.
    Costis zog sich an. Er streifte sein Unterhemd und eine Ledertunika über, dann einen Lederrock unter dem Kettenrock, der ihm von der Taille hing. Er hatte Beinschienen und Schulterstücke und einen Brust- und Rückenpanzer, der auf den
Schultern auflag und unter den Armen zugeschnallt wurde. Aris hatte seine Rüstung gestern Nacht wieder hergebracht. Er war wie Costis der Meinung gewesen, dass der König in der Übungsstunde heute Morgen Rache nehmen würde, aber der König würde anscheinend warten müssen.
    Costis schnallte sich sein Schwert um, nachdem er es aus der Scheide gezogen hatte, um die Schneide zu prüfen. Die Kette am Kragen seines Umhangs ließ sich in die Schulterstücke einhaken, so dass der Mantel ihm den Rücken hinabhing, ohne seine Arme zu behindern. Er trug kein Gewehr, weil er keinen Wachdienst haben würde. Jeder Soldat besaß ein eigenes Schwert, aber die Feuerwaffen gehörten der Königin und waren in der Waffenkammer eingeschlossen. Nur Gardisten, die für die Königin im Dienst waren, trugen sie: Sie holten sie ab, bevor ihr Wachdienst begann, und brachten sie nach dessen Ablauf wieder zurück.
    Nachdem Costis sich angezogen hatte, ging er nach unten und auf den Hof, der zwischen den Baracken lag. Dort hielten sich weitere Gardisten auf, aber niemand sprach mit Costis. Sie sahen beiseite und traten zurück, als er zum Brunnen ging. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht und schöpfte sich mit der Kelle etwas zu trinken, wobei er darauf achtete, das Gesicht von den anderen Gardisten abgewandt zu halten, als gäbe es etwas Faszinierendes auf der gegenüberliegenden Seite des engen Hofs zu sehen. Er kehrte in die Baracken zurück, um seinen Trupp zu holen und sicherzustellen, dass seine Männer zum festgesetzten Zeitpunkt auf dem Paradeplatz bereitstehen würden. Besonders Diurnes kam morgens manchmal langsam in Gang.
    Doch heute Morgen waren all seine Männer wach und einsatzbereit; sie warteten auf ihn und musterten ihn fragend. Er musste ihnen nur zum Gruß zunicken und sie dann zum Paradeplatz führen. Costis’ Trupp gehörte der Achten Centurie an.
Als das Morgensignal von der Mauer geblasen wurde, stand er in Reih und Glied neben seinem Trupp, einer von mehr als tausend Mann, die in ordentlichen Blöcken auf dem Paradeplatz aufgezogen waren und auf ihren Hauptmann warteten.
    Teleus erschien kurz darauf. Auf sein Zeichen hin ließen die Centurionen einer nach dem anderen ihre Abteilungen Habtachtstellung annehmen. Als sie fertig waren, hörte man auf der weiten Fläche des Paradeplatzes nur noch fernes Vogelzwitschern und die gedämpften Geräusche der erwachenden Stadt jenseits der Palastmauern. Auf dem Paradeplatz rührte sich niemand, und keiner sprach, bis Teleus die Stimme erhob, um zu rufen: »Costis Ormentiedes.«
    Costis spürte das Zucken, das die Männer um ihn herum durchlief. Niemand wagte es, sich zu bewegen, um ihn anzusehen, bis auf Diurnes, der ganz leicht den Kopf wandte, um den Anführer seines Trupps aus dem Augenwinkel zu mustern. Costis wusste nicht, was er tun sollte, und war erleichtert, seinen Centurio am Ende seiner Reihe erscheinen zu sehen. Der Centurio machte eine ruckartige Kopfbewegung, und Costis trat aus der Reihe und schritt zur Mitte des Paradeplatzes. Er und der Centurio drehten sich zackig auf dem Absatz um und traten nebeneinander vor das Podium, um zu ihrem Hauptmann aufzuschauen.
    Mit wenigen Worten erkannte der Hauptmann
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