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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder
Autoren: Wolfgang Burger
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begann ich mich zu fragen, was meine Töchter als überzeugte Vegetarier eigentlich an Würstchen fanden. Ich genoss die Leere meiner Wohnung, die Ruhe und die freie Zeit. Ab und zu machte ich mit Theresa zusammen Tagesausflüge, und manchmal fühlten und benahmen wir uns wie ein frisch verliebtes Paar.
    Mitte August ging mein Urlaub zu Ende. Meine Töchter kehrten zurück, außer Rand und Band vor Gesundheit und Sonne und frischer Luft, und beide bis über die Ohren verliebt. Dieses Mal zum Glück in verschiedene Jungs.
    Aus Sommer wurde allmählich Herbst, und wieder geschah lange Zeit nichts.
    In der Nacht auf den dritten September war es dann wieder einmal so weit. Zwei der Bewegungsmelder hatten Signal gegeben. Ein Mensch befand sich im Keller des Bella Napoli. Oder ein großes Tier. In dieser Nacht hatte wieder einmal Rolf Runkel Dienst. Er rief mich an, während er schon auf dem Weg war.
    Als ich zwanzig Minuten später wieder einmal zu nächtlicher Stunde vor dem Bella Napoli stand, war der Alarm schon wieder abgeblasen.
    Â»Ein Penner«, erklärte Runkel selbstbewusst. »Hat wohl gedacht, er findet da drin eine gemütliche Bleibe für den Winter. Kann von Glück sagen, dass er sich nicht den Hals gebrochen hat.«
    Â»Der hat sich vielleicht erschrocken«, berichtete einer der beiden uniformierten Kollegen, die Runkel begleitet hatten, und steckte sich lachend eine Zigarette an. »Und nach Schnaps gestunken hat der, dass man sich gar nicht getraut hat, in seiner Nähe eine Fluppe anzuzünden.«
    Â»Wo ist er?«, fragte ich.
    Dreifache Ratlosigkeit glotzte mich an.
    Â»Irgendwie ist er auf einmal fort gewesen«, gestand Runkel. »Keiner hat’s so richtig mitgekriegt. Aber egal, der ist wirklich total harmlos gewesen.«
    Â»Hat er gehinkt?«, fragte ich misstrauisch.
    Â»Nö.« Einhelliges Kopfschütteln. »Der ist ganz normal gegangen.«
    Â»Wie alt war er?«
    Â»Schwer zu sagen. Sechzig, fünfundsechzig vielleicht. Nicht besonders groß.«
    Â»Ein Ausländer«, sagte der Uniformierte mit der Zigarette. »Wahrscheinlich hat er keine Aufenthaltserlaubnis, und drum hat er sich lieber verdrückt.«
    Â»Ein Ausländer?« Ich war schon halb beruhigt gewesen. »Und er hat wirklich kein steifes Bein gehabt?«
    Â»Nein, wirklich nicht«, versicherte der mit der Zigarette. »Und er hat Deutschland über den grünen Klee gelobt. Der hat uns vielleicht zugetextet, kann ich Ihnen sagen. Drum haben wir ihm dann auch den Rücken zugedreht, damit er endlich mal die Klappe hält. Vor allem die Polizei, also uns, findet er total super. Das hat er mindestens dreimal betont.«
    Â»Warum gucken Sie denn so, Herr Kriminaloberrat?«, fragte Runkel besorgt. »Ist irgendwas? Haben wir was falsch gemacht?«
    Â»Nein, nein.« Ich winkte müde ab. »Alles prima. Ich fahre dann wieder nach Hause. Und Sie sorgen bitte dafür, dass hier ein besseres Schloss an die Tür kommt.«
    Während des Gesprächs war eine Erinnerung in mir aufgeblitzt. Während der Fahrt zurück in die Heidelberger Weststadt sah ich die ganze Zeit das Bild vor mir.

    Am nächsten Morgen bat ich als Erstes Balke zu mir.
    Â»Bringen Sie bitte Ihren Laptop mir«, sagte ich am Telefon. »Ich möchte das Video noch einmal sehen.«
    Â»Brauch ich nicht. Ich habe es auf meinem Handy.«
    Zwei Minuten später war er da.
    Â»Von Anfang an?«, fragte er mit seinem geliebten Smartphone in der Hand.
    Â»Das Ende. Kurz bevor die Russen kommen.«
    Balke fuhr mit dem Finger auf dem Touchscreen herum, und Sekunden später begann der Film. Gegröle, Gelächter, Klirren. Und dann Schivkov. Schwer angetrunken und bestens gelaunt ging er in Richtung Ausgang. Das Haar noch kaum ergraut, der Schnurrbart weniger buschig.
    Â»Und?«, fragte ich. »Fällt Ihnen etwas auf?«
    Balke schüttelte den Kopf, kratzte sich im Genick. Öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Und dann sah er es auch: »Der hinkt ja gar nicht!«
    Â»Genau«, sagte ich befriedigt. »Kann natürlich sein, dass er später einen Unfall hatte und sein kaputtes Knie daher kommt. Das glaube ich aber nicht. Der Mann hat uns die ganze Zeit an der Nase herumgeführt. Er ist ein so unglaubliches Schlitzohr.«

    Elisaveta Lebedevas Gorillas waren heute andere als bei meinem letzten Besuch, jüngere. Das Grinsen war
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