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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder
Autoren: Wolfgang Burger
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an sich, schlang die Arme um die Unterschenkel.
    Â»Es gibt keine klaren Grenzen. Prostitution ist so kompliziert wie die Liebe selbst. Hast du noch nie mit einem Mann geschlafen, den du – sagen wir mal – nicht gerade aus tiefstem Herzen geliebt hast, von dem du dir aber irgendwas versprochen hast?«
    Â»Aber natürlich nicht!« Sie klang verstimmt, wie sie die drei Worte hervorstieß. Aber schon das Ausrufezeichen am Ende hatte ein wenig unsicher geklungen. Ich streckte die Hand aus, um sie zu besänftigen, da fuhr sie fort: »Einmal, an der Uni. Mit meinem Professor für mittelalterliche Geschichte. Das war nicht gerade mein Glanzfach, und ich hatte ziemlich Angst vor den Prüfungen. Es hieß, wenn man nett zu ihm ist, dann werden die Fragen in der Prüfung leichter. Praktischerweise waren wir acht Wochen vorher auf Exkursion in Rom.«
    Â»Und wie ist die Prüfung ausgegangen?«
    Â»Eine glatte Eins.« Schmunzelnd steckte sie sich eine neue Zigarette an. »Und jetzt willst du mir also einreden, das sei Prostitution gewesen?«
    Â»Wie kompliziert das Thema ist, kannst du an unserer verworrenen Rechtsprechung ablesen. Sobald es zum Beispiel um die Frage geht, ob die Damen steuerpflichtig sind, wird es richtig lustig. Die heutige Regelung sagt ungefähr: Wenn der Geschlechtsverkehr nur wegen des zu erwartenden Entgelts ausgeübt wird, dann handelt es sich um eine Leistung im Sinne der Steuergesetzgebung. Bleibt die Frage: Ist eine unverdient gute Note in mittelalterlicher Geschichte ein Entgelt oder eine Schenkung?«
    Â»Weißt du was?« Theresa klang plötzlich wieder gut gelaunt. »Das ist mir zu kompliziert. Ich war damals dreiundzwanzig und hatte auch ein bisschen zu viel Frascati getrunken, und wenn ich es mir recht überlege, dann war ich doch ein kleines bisschen in den Mann verliebt.« Sie wälzte sich mit offensichtlichen Absichten auf mich. »Ich weiß nicht mal mehr, wie er hieß.«
    Unser dritter Anlauf endete in gemeinsamem Gelächter. Für Theresa gab es noch einen klitzekleinen Brustwarzenorgasmus zum Nachtisch. Ich öffnete eine zweite Flasche Champagner. Wir waren außer Atem und ziemlich betrunken und uns so nah wie noch nie.

    Jakob Geldorf war in allen Punkten geständig. Mehr als das, er redete mit einer Bereitwilligkeit und in einem Tempo, dass ich froh war, ein Diktiergerät dabei zu haben, als ich am Freitagvormittag neben seinem Krankenhausbett saß. Er erleichterte sein Gewissen und schien in mir seinen Beichtvater zu sehen.
    Im Grunde erfuhr ich jedoch nichts, was ich nicht schon gewusst oder zumindest vermutet hatte. Voronin hatte seinen Partner Lebedev über die Jahre um mehrere Millionen betrogen. Geldwäsche ist immer mit einem gewissen Schwund verbunden, weshalb anfangs nicht aufgefallen war, dass aus Bulgarien regelmäßig zu wenig Geld kam. Irgendwann war Lebedev seinem Finanzminister aber doch auf die Schliche gekommen. Um seine Haut zu retten, hatte Voronin die Schuld den Bulgaren in die Schuhe geschoben. Schivkov wollte sich das nicht gefallen lassen. Schließlich hatte er immer ordentlich abgerechnet, und außerdem wollte er auch weiterhin gut verdienen am grenzüberschreitenden Geldgeschäft. Lebedev war immer misstrauischer geworden, der Ton seiner Telefonate mit Voronin schärfer. Schließlich hatte dieser keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als die lästigen und gefährlichen Zeugen in Bulgarien aus der Welt zu schaffen. Er hatte einen Trupp junger, ehrgeiziger Männer zusammengestellt und als ungeladene Gäste zur Hochzeit von Anton Schivkovs jüngster Tochter geschickt. Die bulgarischen Maschinenpistolen und letzte Anweisungen hatten sie erst wenige Kilometer vor dem Tatort erhalten, auf einem Parkplatz im Wald. Von einem bärtigen Russen, den Geldorf nicht kannte und den er später nie wiedergesehen hatte.
    Jakob Geldorf schien glücklich zu sein, sich diese erdrückende Last von der Seele reden zu können, und mehr als einmal musste ich ihn sacht zum Thema zurückführen. Nach der Rückkehr aus Bulgarien hatte er einen Nervenzusammenbruch erlitten. Dabei war es nicht der Massenmord gewesen, der ihn schier um den Verstand brachte, sondern der Blick einer einzigen jungen Frau, die er aus nächster Nähe erschossen hatte. Diese Frau, vermutlich noch nicht einmal volljährig, ihr verständnisloser Blick, kam immer wieder zur
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