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Der Fünfte Elefant

Der Fünfte Elefant

Titel: Der Fünfte Elefant
Autoren: Terry Pratchett
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un-
    term Wasserfall erreichten. Die auf seine Schulter gestützte Schau-
    fel schien ihn kaum mehr zu belasten.
    Der Schnee war übersät mit Wolfsspuren.
    »Sie sind nicht geblieben«, sagte Angua, als sie zwischen den
    Bäumen wanderten. »Sie waren vol er Kummer, als er starb, a-
    ber… Wölfe blicken in die Zukunft. Sie versuchen nicht, sich an
    Dinge zu erinnern.«
    »Da können sie von Glück sagen«, meinte Karotte.
    »Sie sind Realisten. In der Zukunft liegt die nächste Mahlzeit,
    und die nächste Gefahr. Ist mit deinem Arm al es in Ordnung?«
    »Fühlt sich so gut wie neu an.«
    Sie fanden den gefrierenden Pelzhaufen dicht am Ufer. Karotte
    zog ihn aus dem Wasser, strich den Schnee beiseite und begann zu
    graben.
    Nach einer Weile zog er das Hemd aus. Die blauen Flecken an
    seinem Oberkörper verblassten bereits.
    Angua setzte sich und blickte über den Fluss, lauschte dabei dem
    Pochen der Schaufel und einem gelegentlichen Knirschen, wenn
    Karotte auf eine Baumwurzel stieß. Kurze Zeit später hörte sie,
    wie etwas über den Schnee gezogen wurde. Es wurde kurz stil ,
    und dann klackten Steine, als Karotte das Grab zuschaufelte.
    »Möchtest du einige Worte sprechen?«, fragte er.
    »Du hast das Heulen in der vergangenen Nacht gehört«, erwider-
    te Angua und blickte weiter übers Wasser. »So verabschieden sich
    Wölfe von einem toten Gefährten. Worte sind nicht notwendig.«
    »Nun, viel eicht einige Sekunden des Schweigens…«
    Angua drehte sich abrupt um. »Karotte! Erinnerst du dich nicht an gestern? Fragst du dich nicht, was aus mir werden könnte?
    Machst du dir keine Sorgen um die Zukunft?«
    »Nein.«
    »Meine Güte, und warum nicht?«
    »Weil die Zukunft noch nicht geschehen ist. Sol en wir jetzt zu-
    rückgehen? Es wird bald dunkel?«
    »Und morgen?«
    »Ich würde mich freuen, wenn du nach Ankh-Morpork zurück-
    kehrst.«
    »Warum? Dort gibt es nichts für mich.«
    Karotte klopfte den Boden über dem Grab fest. »Ist hier etwas
    für dich übrig geblieben?«, fragte er. »Äh, und ich…«
    Wag es nicht, diese Worte auszusprechen, dachte Angua. Nicht
    ausgerechnet jetzt.
    Und dann bemerkten sie beide die Wölfe. Sie schlichen an den
    Bäumen vorbei, dunkle Schatten im letzten, verblassenden Licht
    des Tages.
    »Sie sind auf der Jagd«, sagte Angua und griff nach Karottes
    Arm.
    »Oh, keine Sorge. Sie greifen Menschen nicht grundlos an.«
    »Karotte?«
    »Ja?« Die Wölfe näherten sich.
    »Ich bin kein Mensch!«
    »Aber gestern Abend…«
    »Das war etwas anderes. Sie erinnerten sich an Gavin. Jetzt bin ich nur ein Werwolf für sie…«
    Angua sah, wie sich Karotte den Wölfen zuwandte. Ihr Fel war
    gesträubt, und sie knurrten. Sie bewegten sich mit jener Art zö-
    gernder Zurückhaltung, die auf einen Hass hindeutete, der Furcht
    überwinden kann. Jeden Augenblick konnte sich in einem der
    Wölfe die Waagschale des Empfindens ganz zur einen Seite nei-
    gen, und dann war es geschehen.
    Jemand sprang – Karotte. Er packte den Anführer des Rudels an
    Hals und Schwanz, hielt das Tier fest, als es zappelte und nach ihm
    zu schnappen versuchte. Seine Bemühungen, dem Griff zu ent-
    kommen, ließen den Wolf im Kreis laufen, mit Karotte in der Mit-
    te. Die anderen Wölfe wichen vor dem grauen Wirbel zurück.
    Als das Oberhaupt des Rudels stolperte, beugte sich Karotte vor
    und biss es in den Nacken. Der Wolf heulte.
    Karotte ließ ihn los, richtete sich auf und sah zu den anderen
    Wölfen. Sie mieden seinen Blick.
    »Hmmm?«, fragte er.
    Der Wolf auf dem Boden jaulte und erhob sich schwerfällig.
    »Hmmm?«
    Er zog den Schwanz zwischen die Hinterbeine und schlich zu-
    rück, doch eine unsichtbare Leine schien ihn mit Karotte zu ver-
    binden.
    »Angua?«, fragte Karotte, ohne den Wolf aus den Augen zu las-
    sen.
    »Ja?«
    »Sprichst du Wölfisch? Ich meine, in deiner gegenwärtigen Ges-
    talt?«
    »Ein wenig. Woher wusstest du, worauf es ankommt?«
    »Oh, ich habe die Tiere beobachtet…«, sagte Karotte, als sei das
    Erklärung genug. »Bitte sag ihnen… Sag ihnen, dass ich ihnen
    nichts zu Leide tue, wenn sie jetzt verschwinden.«
    Angua bel te einige Worte. Innerhalb weniger Sekunden hatte
    sich die Situation völlig verändert. Jetzt bestimmte Karotte alles.
    »Und sag ihnen, dass ich zwar fortgehe, aber viel eicht zurück-
    kehre. Wie heißt er?« Er deutete auf den sich duckenden Wolf.
    »Das ist Frisst Falsches Fleisch«, flüsterte Angua. »Er war…
    Nach Gavins Tod wurde er zum
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