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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph
Autoren: Gerald Benedict
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ab. Und mitunter betrifft es auch unsere Religion oder Spiritualität. Vor allem erfordert Selbstvergebung wie jede Art Verzeihung moralischen Mut.
    Selbstvergebung heißt, von der Reue zu lassen. Wie oft wünschen wir uns, dass wir etwas nicht getan, nicht gesagt oder in einer wichtigen Sache anders entschieden hätten? Reue kann zu einer gewaltigen Last heranwachsen, die wir nur mit Selbstvergebung wieder loswerden können. Ohne sie können wir im Leben nicht nach vorn schauen: Wir bleiben in der Vergangenheit hängen. Wie schon gesagt, müssen wir, um vergeben zu können, nicht unbedingt vergessen. Beverly Flanigan (*   1954), die Autorin von ›Nicht vergessen und doch vertrauen‹, fasst es treffend so: »Zu vergeben, was wir nicht vergessen können, schafft eine neue Art des Erinnerns. Wir verwandeln die Erinnerung an unsere Vergangenheit in Hoffnung für die Zukunft.« Wie in vielen Lebensfragen heißt der Schlüssel zur Lösung Akzeptanz. Was wir auch getan haben, wir können es nicht ungeschehen machen. Deswegen beginnt Selbstvergebung mit dem Mut, uns den Konsequenzen unserer Worte und Handlungen zu stellen. »Die Regel lautet: Wirklich selbst vergeben könnenwir uns nur dann, wenn wir auf unseren Fehler blicken und ihn beim Namen nennen«, meinte der Ethiker und Theologe Lewis B. Smedes (1921–2002). Wir müssen uns nicht nur mit unseren Handlungen abfinden, sondern für sie auch ohne jede Ausrede die Verantwortung übernehmen. Und wichtiger noch: Selbstvergebung fällt uns leichter, wenn wir diejenigen, denen wir Unrecht getan haben, um Vergebung bitten. Noel McInnis versteht Selbstvergebung als wichtigen Bestandteil unserer psychischen Gesundheit: »Da uns nichts vergeben werden kann, das nicht von und durch uns selbst vergeben wurde, gibt es nur eine Art Vergebung: die Selbstvergebung.«
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    »Ich bin auf das Paradox gestoßen, dass es, wenn ich liebe, bis es schmerzt, keinen größeren Schmerz geben kann, nur größere Liebe.«
    Mutter Teresa (1910–1997)
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Warum gilt Liebe als ein höchster Wert?
    Seitdem Gedanken schriftlich niedergelegt werden, gilt »Liebe« als höchste Tugend. Aber wie der Begriff »Gott« wurde auch dieser so oft missbraucht, dass er seine klare Bedeutung verloren hat. Liebe muss von romantischen Vorstellungen befreit werden: Die Romanze ist zwar ein Idealbild der Liebe, hat aber nicht die Kraft, um im prosaischen Alltagsleben zu bestehen. Für viele ist Liebe fast ausschließlich mit Sex verknüpft. Wir »machen Liebe«, wir verlieben uns. Für andere ist der erhabenste Ausdruck der Liebe das Religiöse: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken.« (Mk 10, 27) Jesus gibt eine weitere Leitlinie aus: »Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebet einander.« (Joh 13, 34) Und er fügt hinzu: »Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt« (Joh   15, 13) – eine klare Vorausdeutung auf seinen eigenen Tod.
    Liebe im mystischen Sinn dreht sich um eine Einswerdung, wie Katharina von Siena (1347–1380) sie verstand: »Die Liebe verwandelt einen in das, was man liebt.« Der bengalische Dichter und Philosoph Rabindranath Tagore (1861–1941) sah dies auch so: »Nur in der Liebe stehen Einheit und Zweiheit nicht im Konflikt miteinander.« Jenseits der Mystik geht es in unseren Beziehungen zu Familienmitgliedern und Freunden um Einheit und Vertrautheit, wobei die Liebe das Mittel ist, mit dem wir ein Gefühl echter Gegenseitigkeit, des wahren Miteinanders, erlangen können. Sie ist »die Voraussetzung, unter der das Glück eines anderen für unser eigenes wesentlich ist«, wie es der amerikanische Schriftsteller Robert A. Heinlein (1907–1988) ausdrückte. Durch Liebe überwinden wir inneren Mangel und Leere und erfüllen Sehnsucht. Wir sagen, wir schmachten oder hungern nach Liebe, als sei sie ein existenzielles Verlangen. Mutter Teresa formulierte es so: »Der Hunger nach Liebe ist sehr viel schwerer zu stillen als der nach Brot.«
    Ob wir Liebe geben und erwidern können, knüpft sich an unsere Empfindungen. Daraus ergibt sich ein Problem, da wir Liebe mit einem Gefühl gleichsetzen. Wenn wir nicht fühlen, dass wir verliebt sind oder geliebt werden, gehen wir davon aus, dass keine Liebe da ist. Jedoch sind Herz und Gefühl bekanntlich launisch und bieten eine instabile Grundlage, um Liebe zu ermessen. Aber zu lieben ist auch eine Sache des Willens. Wohl
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