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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Autoren: Colin Cotterill
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erinnerungen eine tragende Rolle zu spielen. Solange Siri denken konnte, hatten seine verstorbenen Patienten ihn im Traum besucht. Im Lauf der vergangenen zwei Jahre waren diese Geister seinem Unbewussten entschlüpft und suchten ihn auch im Wachzustand heim. Doch davon ließ er sich nicht schrecken.
    Wäre er etwas intelligenter oder ein besserer Detektiv gewesen, hätte er sicherlich deuten können, was sie ihn schauen ließen, davon war Siri überzeugt. Oftmals kam ihm die Erleuchtung erst, lange nachdem er das Rätsel mit Hilfe weitaus konventionellerer, weltlicher Methoden entschlüsselt hatte. Seine inzwischen leicht deformierte Denkerstirn war permanent mit blauen Flecken übersät, weil er sich ständig vor den Kopf schlug, wenn er endlich begriff, was ihm die Geister hatten sagen wollen. Vielleicht lag es an seiner Unzulänglichkeit als Seelenwirt, dass er bislang mit nur drei Personen über dieses sein Gebrechen gesprochen hatte: mit seiner Laborassistentin Schwester Dtui, seinem besten Freund Civilai und seiner Frau Madame Daeng. Alles in allem hatten sie es eigentlich recht gut aufgenommen. Inspektor Phosy vom Zentralen Nachrichtendienst hingegen war allein kraft seines polizeilichen Spürsinns zu dem Schluss gelangt, dass bei Siri ein paar Schrauben locker saßen. Einer guten Geistergeschichte war allerdings auch er nicht abgeneigt.
    Siri hatte gelernt, sich von diesen nächtlichen Besuchern nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Bisweilen trotzte er Albträumen wie ein erfahrener Schwimmer, der wusste, dass er wohlbehalten ans Ufer gelangen würde. Es gab bösartige Geister wie die Phibob aus dem Wald, die es auf Yeh Mings Seele abgesehen hatten. Sie umschwirrten ihn wie rachsüchtige Wespen, die auf einen schwachen Moment lauerten, in dem sie zustechen konnten. Ohne das heilige Amulett um seinen Hals wäre Siri wohl kein zweites Eheglück beschieden gewesen. Aber die meisten Geister waren harmlos.
    Siri setzte sich auf den Sattel seiner Triumph und sah Saloop kopfschüttelnd dabei zu, wie er die toten Beine ausstreckte und sich schwerfällig hochhievte. Der Wissenschaftler in ihm fragte sich, was aus seinem inneren Zyniker geworden war. Er hatte sich lästernd durch die Tempelschule laviert, der Jungfrau Maria während seines Studiums in Paris eine philosophische Nase gedreht und sich nach der Rückkehr in seine asiatische Heimat über Schamanen und Wahrsager lustig gemacht. Vielleicht wollten sie auf diese Weise Vergeltung üben: indem sie ihm einen toten Köter sandten, der sich nach seiner Gesundheit erkundigte.
    »Na, wie geht’s, alter Junge?«, fragte er.
    Wie nicht anders zu erwarten, hatte Saloop bei seinem Dahinscheiden auch sein sprühendes, schwanzwedelndes Temperament eingebüßt. Er scharrte lustlos mit den Pfoten und sabberte giftgrüne Galle. Dann kletterte er über die bröcklige Backsteinmauer in den Gemüsegarten und begann zu graben. Ein Filmemacher hätte seine liebe Mühe gehabt, diese Szene mit der Kamera einzufangen, dachte Siri. Zwar buddelte Saloop zweifellos ein tiefes Loch, doch blieb die Erde unversehrt. Schließlich verschwand der Hund in der imaginären Grube, tauchte mit einem Knochen im Maul wieder auf und kam auf Siri zu.
    Hinter dem Doktor schrillte eine Fahrradklingel, und als Siri den Kopf wandte, sah er Dr. Mut, den Urologen, der zu seinem Parkplatz zu gelangen versuchte. Als er sich wieder umdrehte, waren der Hund, der Knochen und das nicht vorhandene Loch verschwunden.
    Siri betrat die Pathologie und stellte mit Erstaunen fest, dass Schwester Dtui und sein Sektionsassistent Herr Geung schon bei der Arbeit waren. Ihre Stimmen drangen aus dem Schneideraum, und so warf Siri seine Umhängetasche auf den Schreibtisch und gesellte sich zu ihnen. Die beiden standen links und rechts von einer Leiche. Sie war vermutlich eingeliefert worden, während er sich mit dem Hund beschäftigt hatte. Er war bis acht Uhr abends hier gewesen, und da es gegen das Gesetz verstieß, in Vientiane außerhalb der Bürozeiten das Zeitliche zu segnen, konnte diese Leiche frühestens heute Morgen um acht gekommen sein. Die Tabakblätter, in die sie gehüllt gewesen war, lagen auf dem Boden unter dem Tisch.
    »Hallo, werte Kollegen«, sagte Siri lächelnd.
    »G… gu… guten Morgen, Genosse Doktor«, stammelte Geung. Obwohl er es unzählige Male versucht hatte, war es ihm noch nie gelungen, den Gruß in einem Atemzug herauszubringen. Das Down-Syndrom war eine Qual.
    »Herr Geung, was haben Sie
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