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Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)

Titel: Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Autoren: Colin Cotterill
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erkennen Sie das?«, fragte Siri.
    »An den Blutunterlaufungen im Halsbereich.« Sie machte die Fingerprobe. »Wahrscheinlich ist das Zungenbein gebrochen.«
    »Ganz Ihrer Meinung.« Siri nickte. »Der Täter?«
    »Ein Mann. Mit riesigen Händen. Der Daumenabdruck ist doppelt so groß wie meiner.«
    »Irgendwelche Abwehrverletzungen?«
    »Eigentlich nicht. Aber sie hatte ja auch praktisch keine Fingernägel. Sie sind bis aufs Nagelbett heruntergeschnitten. Selbst wenn sie versucht hätte, sich aus der Umklammerung zu befreien, hätten sie keine Kratzspuren hinterlassen. Abgesehen von den Würgemalen, sehe ich weiter keine Quetschungen oder dergleichen.«
    »Ganz Ihrer Meinung«, sagte Herr Geung und strich sich die Haare aus den Augen.
    Siri lächelte. »Danke, Dr. Geung.« Geungs Gelächter hellte die düstere Stimmung im Saal ein wenig auf.
    Dtui zog das dichte Haar des Mädchens nach hinten und inspizierte die Kopfhaut. »Keine Kopfverletzungen, ein kleines Muttermal unterhalb des Haaransatzes über dem Ohr.« Sie nahm den Rest des Körpers in Augenschein. »Einer ihrer Finger ist gebrochen«, fuhr sie fort, »aber da kein Bluterguss vorliegt, ist die Fraktur vermutlich erst nach Eintritt des Todes entstanden. Eventuell beim Transport der Leiche.« Sie beugte sich über die dicht mit dunklem Haar bewachsene Scham und bat die Tote mit einem höflichen nop um Verzeihung, bevor sie die Untersuchung fortsetzte. »Keine äußeren Anzeichen einer Blutung oder Blutergüsse im Vaginalbereich. Dem Himmel sei Dank.«
    Sie trat ans Fußende des Tisches und betrachtete die Füße des Mädchens. »Eins kapiere ich nicht«, sagte sie. »Sehen Sie sich ihre blasse Haut an. Sie ist wunderschön. Keine Pigmentflecken, keine Schönheitsfehler. Sie ist ganz weiß, fast opak, gerade so als hätte sie an Vitaminmangel gelitten. Sie sieht aus wie eine Reklame für Camay-Seife. Und dann das.«
    Die Füße und Fesseln des Mädchens waren verfärbt und zerschunden. Es sah aus, als trüge sie schmutzig-braune Socken. Die Haut war von der Sonne rostrot verbrannt, die Zehennägel hingegen sahen aus wie gebleicht, fast rosig, und die Fußsohlen waren runzlig und weich wie Tofu. Siri stand auf, um sie sich aus der Nähe anzusehen.
    »Sie haben recht«, sagte er. »Höchst sonderbar.«
    »Irgendeine Ahnung, wie es dazu gekommen sein könnte?«
    »Keinen Schimmer. Sehen Sie sonst noch etwas?«
    »Nun ja« – Dtui wandte sich wieder den Händen des Mädchens zu –, »es ist nicht ganz so spektakulär wie die Füße, aber schauen Sie sich das an.«
    Sie hob einen Arm des Mädchens an. Der Handrücken war ebenso makellos wie der Rest ihres Körpers, doch der Handteller war eine einzige Ansammlung von Schwielen und Blasen. Die Haut war dick und rau wie die Schale einer Pomelo.
    »Auch das ist sonderbar«, bekräftigte Siri. »Bislang ist diese junge Dame quasi ein Kompendium von Widersprüchen. Fallen Ihnen irgendwelche Unstimmigkeiten auf, wenn Sie die Leiche mit dem Bericht des Kaders vergleichen?«
    Dtui warf einen zweiten Blick auf den Brief, aber ihr sprang nichts ins Auge.
    »Nein«, gestand sie.
    »Das Band?«, half Siri ihr auf die Sprünge.
    »Nein, ich … Moment!« Wieder nahm sie die Hand des Mädchens. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil es ihr nicht gleich aufgefallen war. »Keine Striemen an den Handgelenken«, sagte sie.
    »Woraus folgt …?«
    »Dass sie gefesselt wurde, als sie bewusstlos war oder nachdem sie den Widerstand aufgegeben hatte.«
    »Oder?«
    »Oder dass er sie erst gefesselt hat, als sie schon tot war.«
    »Dann wollen wir doch mal sehen, ob sie nicht noch mehr Geheimnisse birgt.«
    Die Obduktion verlief wie immer, auch wenn Siri wenig Neigung verspürte, eine so schöne junge Frau mit dem Skalpell zu schänden. Sie hatte sich bester Gesundheit erfreut. Siri schloss auf eine zucker- beziehungsweise stärkearme Ernährung mit reichlich Obst. Fotos ihrer Lunge und ihrer Leber hätten ohne Weiteres ein Lehrbuch zieren können.
    Bis hierher hatte es sich um einen Fall von Strangulation gehandelt, ein ebenso schlichtes wie grausames Verbrechen, das nicht besonders schwer zu diagnostizieren war. Nur: Morde durch Erdrosseln waren in Laos fast gänzlich unbekannt. Die wenigsten Laoten hätten es über sich gebracht, mit bloßen Händen einen Menschen zu töten. Sie vermieden die Berührung mit einem Körper, aus dem das Leben wich, aus Angst, dass der Geist des Verstorbenen in sie fahren und sie bis ans Ende ihrer
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