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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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er aß ein paar Mund voll Brot und Ziegenkäse, während er sich den Schurz um die Mitte binden und das Gesicht schminken ließ. Dieses eine Mal schwieg seine Seele, war genauso ausgelaugt wie sein Körper.
    Im Arbeitszimmer fand er Ipi vor. »Die Familie wartet, dass du sie rufst, Fürst«, sagte er als Antwort auf Kamoses Frage. »Fürst und Fürstin sind bereit. Der Vertrag liegt vor dir.«
    »Dann hol sie«, befahl Kamose, »und lass vor dem Haus Sänften bereitstellen.« Er setzte sich hinter den Schreibtisch, legte die Hand auf den Papyrus, entrollte ihn jedoch nicht. Es war der einfache, übliche Heiratsvertrag, in den lediglich Ahmoses und Aahmes-nofretaris Namen eingesetzt waren. Flüchtig nagte der Zweifel an ihm, als er ihn ansah. Tue ich das Richtige?, fragte er sich. Dass ich sie Ahmose gebe, statt sie selbst zu nehmen? Was ist, wenn Ahmose in den bevorstehenden Schlachten fällt und ich überlebe und herrsche? Wäre ich dann Regent für ein möglicherweise aus dieser Vereinigung entstehendes Kind? Oder würde ich sie dann wiederum heiraten? Wo ist sie, die Geliebte meiner Träume? Ich habe sie lange nicht mehr gesehen. Hat sie mich verlassen, weil ich auf dem richtigen Weg bin oder weil ich, ohne es zu wissen, das Falsche tue? Nein, befand er. Sie ist in der Nähe, aber weitere Zeichen brauche ich nicht. Ich unterwerfe mich dem Willen der Maat.
    Sie traten stumm ein und standen vor ihm, ihre Mutter zur Linken, Tetischeri zur Rechten. Alle sahen blass und müde aus, sogar Ahmose, der sonst lebhaft und munter war, wie auch immer er die Nacht verbracht hatte. Ipi legte ihnen die Palette vor und entstöpselte die Tusche. »Wollt ihr immer noch?«, fragte Kamose sie. Die Frage war eine reine Formalität, die er nur in knappe Worte fasste. Sie nickten. »Dann unterschreibt mit Namen und Titel. Mutter, Großmutter, ihr bezeugt ihre Unterschrift gemeinsam mit mir.« Feierlich und in einem Schweigen, das nur durch das fast unhörbare Scharren von Pinsel auf Papyrus unterbrochen wurde, beugten sie sich vor und taten, was er gesagt hatte. Kamose unterschrieb als Letzter, und dann war alles vorbei. Er reichte Ipi die Rolle. »Verwahre sie im Archiv«, sagte er und erhob sich. »Und jetzt kommt mit. Die Sänften, die uns zum Tempel bringen, warten schon.«
    Der frühe Nachmittag war gleißend hell und deutete schon die größere Hitze des Schemu in ein paar Wochen an. Kamose stellte fest, dass ihm leichter ums Herz wurde, als die Träger den Weg entlanggingen, der vom Anwesen zu Amuns Wohnstatt führte. Der Nil, den man hier und da zwischen dem üppigen Uferbewuchs sehen konnte, funkelte. Gelegentlich hob eine Brise die Vorhänge und umspielte seine nackte Wade. Zu seiner Rechten und seiner Linken schritten die Leibwächter der Familie, die Getreuen des Königs, locker dahin, ihre robusten Sandalen wirbelten kleine Staubwolken auf.
    Auf einmal hörte Kamose den Ausruf seiner Schwester. Er beugte sich aus der Sänfte und sah, dass sie in den Himmel spähte. »Oh, sieh mal, Ahmose!«, rief sie. »Sieh hoch! Horus gibt uns seinen Segen! Das ist ein günstiges Vorzeichen!« Kamose musterte die weite Bläue über sich und hielt den Atem an. Ein großer Falke stand in der Luft über dem Zug und hatte die Flügel mit den roten Spitzen ausgebreitet. Er war so nahe, dass Kamose sehen konnte, wie sich die Sonne in seinen glänzenden schwarzen Augen spiegelte, und auch die winzigen Schlitze der Nasenlöcher. Sein Schnabel stand offen, und während Kamose noch schaute, kreiste der Falke und ließ sich zu ihnen herunterfallen. Kamose zuckte unwillkürlich zusammen, doch mit einem hörbaren Geraschel seines Gefieders und einem weiteren harschen Schrei rauschte er über ihn hinweg, hielt über Ahmoses Sänfte inne, stieg dann geradewegs hoch und verlor sich im Gleißen des Tages. Kamose merkte, dass er zitterte, während die Träger aufgeregt schwatzten. In der Tat ein mächtiges Vorzeichen, dachte er, während sie weiterzogen.
    Der Gott des Horizontes hat gesprochen. Doch seine heilige Zustimmung hat nicht mir gegolten. Nicht mir.
    Die Familie ließ die Sänftenträger im Schatten der Bäume, die Amuns Kanal säumten, zurück, wo sie sich hinhockten, und überquerte den Vorhof, zog die Sandalen aus und betrat den Innenhof. Amunmose wartete vor den geöffneten Türen des Heiligtums schon auf sie, die Tempeldiener hatten brennende Weihrauchgefäße in der Hand, aus denen der Rauch fast unsichtbar in die klare Luft wölkte. Unter
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