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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao
Autoren: Pauline Gedge
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Schatten.
    Die Haushofmeister beugten sich mit randvollen Krügen zu den Gästen, die ihnen beflissen die Becher entgegenhielten. Diener schlängelten sich durch die plaudernde Menge und hielten Tabletts hoch, auf denen die letzten Leckereien der Familie lagen. Ente, Fisch und Gazellenfleisch dampften unter frischen, würzigen Korianderblättern. Selleriestengel lagen auf einem Bett aus frischem Salat. Sykomorenfeigen, in Honig von Aguacatebäumen eingelegt, und kleine, knusprige, süße Küchlein wurden angeboten, und das Bier schmeckte nach Granatapfel und Minze. Kamoses Musikanten zupften und hämmerten wacker vor sich hin, doch die Melodien gingen beinahe in dem Lärm ringsum unter.
    Die Familie saß auf der Estrade über der Menge. Die Frauen und die beiden Brüder hatten ihr farbenprächtigstes Leinen angelegt und sich mit dem ganzen Schmuck herausgeputzt, der ihnen geblieben war. Die Augen mit schwarzem Kohl umrandet, Lippen und Handflächen hennarot, die Perücken mit den Zöpfen schimmernd von schmelzendem Safranöl, so hoben sie sich von den Feiernden ab. Trotz ihres Lächelns, ihrer freundlichen Blicke, ihrer Bewegungen beim Essen und Trinken oder wenn sie Blüten zum Gesicht hoben, bestand eine unsichtbare Kluft zwischen ihnen und der lärmenden Menge zu ihren Füßen. Sie waren vom Tod oder von Ruhm und Ehre gezeichnet, nicht vom namenlosen Tod des gemeinen Soldaten oder dem Ruhm eines nur vorübergehenden Erfolgs, sondern von feierlicher Hinrichtung oder der Bestätigung ihrer Göttlichkeit. Alle wussten es, und das Wissen gab dem zunehmenden Lärm einen ernsten Unterton.
    Ahmose hatte beim Essen den Arm um seine Schwester gelegt, und als sie fertig waren, unterhielten sie sich ruhig miteinander. Tetischeri umfasste mit beiden Händen ihren Silberbecher, doch sie trank nicht. Ihr gelassener Blick ruhte auf einem Punkt über den Köpfen der Menschen. Aahotep beugte sich über den Tisch und stützte den Kopf in die Hand, hatte aber noch immer die Stirn gekräuselt. Doch Kamose trank unablässig, er schmeckte den erlesenen Jahrgang gar nicht mehr, der ihm nachgeschenkt wurde. Seine Nase roch nur noch den verführerischen Duft des Wachses auf seinem Kopf. Die Luft im Saal war warm und lebendig. Der Wein rann ihm kühl und tröstlich die Kehle hinunter, doch nichts konnte ihn trösten. Auf den erhitzten Gesichtern unter sich meinte er den Blick seines Vaters zu erhaschen, die schnelle Kopfbewegung seines toten Bruders, doch als er erneut hinsah, waren da keine Geister, sondern nur Intef, der ihm ein flüchtiges Lächeln zuwarf, und Anchmahor, der sich seinem Nachbarn zuwandte, weil der ihn etwas gefragt hatte.
    Ehe das Festmahl begann, hatte er die Fürsten angewiesen, im Morgengrauen in ihre Nomarchen zurückzukehren, damit sie für Vorräte sorgen und zu seiner Ankunft Rekruten ausheben konnten. Ein Tag wird nicht reichen, dachte er wie im Nebel. Ich hätte sie nicht mit nach Pi-Hathor nehmen sollen. Jetzt muss das Heer länger in Kift bleiben und vielleicht auch in Aabtu, während die Mannschaften vergrößert und die Vorräte aufgefüllt werden. Ich habe nur vier Monate bis zur nächsten Überschwemmung. Vier Monate, in denen ich Ägypten einnehmen und Apophis im Delta einschließen muss. Ach, um Seths willen, Kamose, schalt er sich innerlich, du drehst noch durch, ehe du überhaupt an Bord gehst, falls du weiter so sinnlos über Dingen grübelst, die sich nicht ändern lassen. Betrinke dich lieber und schlafe. Er leerte seinen Becher und hielt ihn zitternd zum Nachschenken hin.
    Am Mittag des folgendes Tages wachte er mit rasenden Kopfschmerzen auf und wurde benachrichtigt, dass die Fürsten gemäß seinen Anweisungen nach Norden aufgebrochen waren. Er schob das Essen beiseite, das Uni neben sein Lager gestellt hatte, und stürzte mehrere Becher Wasser hinunter, ehe er zum Badehaus ging und sich die letzten Auswirkungen seiner Unmäßigkeit aus den Poren massieren ließ. Die Luft war muffig, roch nach stummer Erschöpfung wie oft nach einer durchzechten Nacht. Diener bewegten sich zielstrebig hin und her, räumten die Überreste des Festes fort, das sich vom Speisesaal in die Flure des allen zugänglichen Teils und dann in den Garten ergossen hatte. Bei dem Geruch von frischem Brot wurde Kamose übel, ehe er das feuchte Badehaus betrat und die Verbeugung seines Leibdieners erwiderte, doch als er gewaschen, durchgeknetet und zum Ankleiden bereit wieder herauskam, war auch sein Appetit zurückgekehrt, und
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