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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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stillzustehen schien. Er steuerte sie mit dem Knüppel und den Pedalen, so dass sie leicht und schwerelos herabschwebte. Damals hatte Brian das Flugzeug mehr oder minder aufs Wasser knallen lassen – über die Baumwipfel und dann hinab. Es war ein Wunder, dass er nicht mit dem Flugzeug zerschellt war.
    Der Pilot war ganz konzentriert. Mit ruhiger Hand hielt er das Steuer, nahm Gas weg und ließ die Maschine über das Wasser segeln.
    Derek drehte sich nach Brian um. »Schön, nicht wahr?«
    Und wirklich, der See war wunderschön. Beinah kreis rund, an einem Ende eiförmig ausgebuchtet, aber nur ganz leicht. Am gegenüberliegenden Ufer, etwas nach rechts, floss ein kleinerer Fluss nach Südosten ab, und Brian konnte nur staunen, wie genau das Terrain auf der Landkarte eingezeichnet gewesen war.
    Sie hatten die Karte auf dem Tisch ausgebreitet, zu Hause im Wohnzimmer, und seiner Mutter gezeigt, wo sie ihr Camp aufschlagen würden. Und jetzt, als er die Landschaft wirklich vor sich sah, war sie beinah ein Abbild der Landkarte. Das Blau des Wassers entsprach dem blauen See auf der Karte, und der Fluss, der sich durch den grünen Wald schlängelte, glich der feinen gewundenen Linie auf dem Papier.
    Derek rief dem Piloten etwas zu – Brian verstand es nicht beim Brummen des Motors – und der Pilot nickte, neigte das Flugzeug etwas nach rechts, mehr zum Fluss hinüber, und setzte es auf das Wasser.
    Es war völlig windstill und der See war blank wie ein Spiegel. Fasziniert sah Brian durchs Fenster, wie der Schwimmer sich auf die Oberfläche des Wassers senkte. Er sah das Spiegelbild immer näher kommen, bis es sich selbst berührte und in zwei aufschäumenden Bugwellen zerbarst, während das Flugzeug auf seinen Schwimmern
    - immer langsamer werdend – über das Wasser glitt.
    Der Pilot lenkte die Maschine zu einer Lichtung rechts am Ufer, wo der Fluss den See verließ, gab noch einmal Gas, um die schwimmende Fahrt zu beschleunigen, bis die Schwimmer sich durch grünes Schilf schoben und an die Uferböschung stießen. Er schaltete den Motor ab.
    »Wir sind da«, sagte Derek, und seine Stimme klang laut im plötzlichen Schweigen. »Lasst uns die Sachen ab laden.« Er drehte sich herum und Brian sah, wie aufge regt er war.
    Wie ein kleiner Junge, dachte er. Aufgeregt wie ein kleiner Junge. Dabei bin ich hier der Junge und ich bin nicht aufgeregt. Es kommt daher, dass er nicht weiß. Ich weiß – und er weiß noch nicht.
    Derek kletterte aus der Kabine, hinaus auf den Schwimmer, und Brian fiel auf, wie steif und unbeholfen er war. Er war kein allzu sportlicher Typ und schien seine Bewegungen schlecht zu koordinieren, als er ans Ufer sprang.
    Der Pilot blieb im Cockpit sitzen und Brian schob den Beifahrersitz nach vorne und zwängte sich durch die schmale Tür. Er balancierte über den Schwimmer und sprang dann auf das trockene Gras.
    Schön, dachte er. Wunderschön und klar. Die Sonne schien, kleine Schäfchenwolken zogen über den Himmel, es war ein milder Sommernachmittag.
    Und plötzlich – im Bruchteil einer Sekunde – verän derte sich Brian völlig. Er wurde wieder, was er damals am See gewesen war: ein Teil von allem, was ihn umgab. So sehr fühlte er sich mit allen Dingen verbunden, dass jede … kleine … Einzelheit … wichtig wurde.
    Er hörte nicht nur die Vögel zwitschern, als jubilieren des Hintergrundgeräusch, sondern jeden einzelnen Vo gel. Er lauschte jeder einzelnen Vogelstimme. Er wusste, wo sie sich versteckten, und konnte – nur nach dem Klang – ihren Standort bestimmen. Er sah nicht nur Wolken, sondern helle Wolken und leichte Zirruswol ken, die den schweren, Regen und Sturm verheißenden Wolken voraussegelten. Die Wolken schoben sich von Nordwesten heran und das hieß, dass auch das Wetter von dort kommen musste. Unausweichlich. Es würde regnen. Noch diesen Abend würde es Regen geben.
    Seine Augen schweiften über die Lichtung, zum Waldrand hinauf, und mit diesen zwei Blicken wusste er alles über die Lichtung und über den Wald. Es gab einen Baumstumpf dort, mit Maden im morschen Holz. Es gab schlanke Erlenstämme, aus denen man einen Bogen schnitzen konnte, und Weidenruten für Pfeile; ein Wildwechsel, wahrscheinlich von Hirschen, bog nach links ab, was bedeutete, dass auch andere Tiere – Stachelschweine, Waschbären, Wölfe, Bären, Elche und Stinktiere – auf die Lichtung kommen würden.
    Brian hob den Kopf, schnupperte in den Wind und zog Luft über die Zunge ein, mit einem
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