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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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wortung für einen Erwachsenen übernommen und in dieser Situation, so fand er, war es das Beste. Aber es war ein unbehagliches Gefühl, die Kontrolle über einen Er wachsenen zu haben – oder überhaupt über einen ande ren Menschen.
    Das Flugzeug musste gewendet werden. Es lag im Schilf verkeilt am Ufer und der Pilot stieß das Fenster auf und bat die beiden, das Flugzeug umzudrehen, so dass es hinaus auf den See gleiten und starten konnte.
    Brian und Derek wateten ins Wasser hinaus und scho ben die Schwimmer vor sich her. Das Wasser war warm, fand Brian, lauwarm am Ufer.
    Nachdem sie das Flugzeug aus dem Schilf geschoben und gewendet hatten, ließ der Pilot den Motor an und verabschiedete sich.
    Dann glitt er davon, ohne sich umzudrehen, gab Voll gas und ließ das verschilfte Ufer hinter sich. Mit zuneh mender Geschwindigkeit donnerte die Maschine über den See.
    Sie hüpfte einmal, zweimal und schwang sich dann in die Luft, stieg über die Baumwipfel am gegenüberliegen den Ufer, zog eine halbe Schleife und flog über die beiden hinweg. Der Pilot schwenkte die Flügel, während sie dem Flugzeug nachschauten, und dann war es verschwunden.
    Verschwunden.
    »Na«, sagte Derek. »Da sind wir also. Allein.«
    Brian nickte. Er hatte ein sonderbares Gefühl, als er das Flugzeug davonschweben sah.
    Ein Gefühl von Leere.
    »Was nun?«, fragte Derek. »Wie bringen wir den Ball ins Spiel?«
    Brian schaute ihn an. Ein Spiel. Für ihn ist es noch im mer ein Spiel.
    »Feuer. Wir brauchen Feuer und einen festen Unter stand. Und zwar bald.«
    Derek sah ihn mit fragenden Augen an.
    Brian spähte zum Himmel. »Es ist ein warmer, sonni ger Nachmittag. Aber am Abend werden die Moskitos kommen und wir werden Rauch brauchen, um sie zu vertreiben – bis zur Nachtkälte. Wir brauchen auch einen Unterstand, weil es in etwa sechseinhalb Stunden regnen wird.«
    »Sechseinhalb Stunden?«
    »Klar. Riechst du es nicht?«
    Derek atmete durch die Nase und schüttelte den Kopf. »Nein, ich rieche nichts.«
    »Du wirst es lernen«, sagte Brian. »Das wirst du. Jetzt aber lass uns … den Ball ins Rollen bringen.«
    Damit lief er los, auf der Suche nach einem Feuerstein.

6
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    In dieser ersten Nacht erkannte Brian, dass es verrückt gewesen war, in die Wildnis zurückzukehren; verrückt, sich auf die Sache einzulassen; und besonders verrückt, so dachte er, das Flugzeug mit all der wertvollen Ausrüs tung wegzuschicken.
    Er dachte an das Zelt.
    Er hatte sich und Derek von Anbeginn keinerlei Über lebenswerkzeuge zugestanden. Er fand, dass Menschen in solchen Situationen selten ein Beil bei sich führen. Darum hatte auch dieser alte Freund zu Hause bleiben müssen. Derek und er hatten jeder ein Klappmesser, et was größer als ein normales Taschenmesser, das man in einem Lederfutteral am Gürtel tragen konnte; sonst hat ten sie nur das, was sich in ihren Hosentaschen befand – etwas Kleingeld, ein paar Dollarscheine. Derek hatte einen Nagelknipser und ein paar Kreditkarten. Brian hatte Fotos von seiner Mutter und von Deborah im Geldbeutel.
    »Das ist alles?«, hatte Derek gesagt, vorhin, als die Sonne noch schien – als ihre letzten Strahlen vom Hori zont über die Baumwipfel hereinfielen.
    »Das ist alles«, hatte Brian genickt.
    »Nicht viel, was?«
    Brian hatte nichts geantwortet. Tatsächlich, es war nicht viel. Besonders für zwei Personen. Sie würden dies mal doppelt soviel von allem brauchen: doppelt soviel Nahrung, eine größere Schutzhütte. Alles war anders – diesmal.
    Damals, während der
Zeit ,
hatte Brian nur für sich selbst sorgen müssen. Das war schwierig genug gewesen. Was es bedeutete, für einen zweiten Menschen zu sorgen – vor allem einen Neuling wie Derek – , war ihm jetzt erst klar geworden, bei diesem Gespräch vor Sonnenunter gang.
    Da war es schon egal.
    Das Flugzeug war fort.
    Danach nahm das Verhängnis seinen Lauf.
    Einen Plan zu haben, das wusste Brian, war eine Sa che: man wollte etwas tun. Eine ganz andere war es, den Plan zu verwirklichen.
    Zunächst einmal fand er keinen Feuerstein. Also gab es kein Feuer.
    Ohne Feuer gab es keinen Rauch und ohne Rauch waren sie schutzlos den Moskitos ausgeliefert. Und diese kamen mit Anbruch der Dämmerung und sie waren ge nauso schlimm, wie Brian sie in Erinnerung hatte. In dichten Wolken schwirrten sie heran und drangen ihnen in Augen, Ohren und Nasenlöcher.
    Sie hatten sich einen provisorischen Unterstand ge baut. Und Brian dachte sehnsüchtig an die überhän
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