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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen
Autoren: Barbara Wood
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Markus-Brief.«
    Ben stützte seinen Kopf gegen
die Sessellehne und starrte an die Decke. Zumindest, dachte er kühl, würde ich
eher an die Existenz von David Ben Jona glauben als an einen Heiligen namens
Markus, der angeblich das Evangelium niederschrieb. Benjamin Messer räumte ein,
daß ein römischer Jude mit Namen Johannes Markus wahrscheinlich im ersten Jahrhundert
in Palästina gelebt hatte und vermutlich in die Aktivitäten der Zeloten
verstrickt gewesen war. Aber wer war das in Judäa zu jener Zeit nicht? Doch daß
er der Autor des früheren und kürzesten Evangeliums sein sollte, war höchst
fragwürdig. Immerhin existierte das Markus-Evangelium vor dem vierten
Jahrhundert nicht einmal in irgendeiner vollständigen Form. Was, außer dem
Glauben daran, konnte beweisen, daß das Markus-Evangelium »echter« war als zum
Beispiel der Markus-Brief, der nun auf Bens Schreibtisch lag? Glaube.
    Ben setzte seine Brille ab,
die ihm ungewohnt schwer vorkam, und legte sie auf das Seitentischchen neben
sich. Was war überhaupt Glaube, und wie konnte man ihn messen? Daß das Neue
Testament erst seit ungefähr dem Jahr dreihundert nach Christus in
schriftlicher Form nachweisbar war, schien den Glauben so vieler Millionen
Christen nicht im geringsten zu beeinträchtigen. Daß die Geschichte von der
Unbefleckten Empfängnis, von unzähligen Wundern und von der leibhaftigen
Auferstehung nach dem Tod der Menschheit erst Jahrhunderte, nachdem sie sich
angeblich zugetragen haben, in Handschriften überliefert worden war und daß
ihre Urheberschaft bis heute nicht zweifelsfrei bestimmt werden konnte, hatte
keine Auswirkungen auf die Überzeugung von Millionen. Das war Glaube. Einen
flüchtigen Augenblick lang dachte Ben an seine Mutter Rosa Messer, die bereits
vor vielen Jahren einen gnädigen Tod gefunden hatte. Und ebenso rasch schob er
die Erinnerung daran beiseite. Es tat ihm nicht gut, jetzt an sie zu denken.
Ebenso hatte Ben längst den Versuch aufgegeben, die wenigen Erinnerungen an
seine Kindheit nach seinem Vater, Rabbi Jona Messer, zu durchforsten. Er war
gestorben, als Ben noch ein kleiner Junge war.
    Das war in Majdanek gewesen,
einem Ort in Polen, an den Juden deportiert worden waren.
    Das Telefon
klingelte dreimal, bevor Ben aufstand, um den Hörer abzunehmen.
    »Wie kommst
du voran?« fragte Angie. Sie äußerte stets Interesse an seinem neuesten
Übersetzungsvorhaben, und ob es nun echt oder gespielt war, spielte für Ben
keine Rolle.
    »Langsam«, gab er zurück. »Na
ja, eigentlich geht es überhaupt nicht voran.«
    »Hast du gegessen?«
    »Nein. Hab keinen Hunger.«
    »Willst du vorbeikommen?«
    Ben zögerte. Gott, es wäre
schön, bei Angie abzuschalten. Vor dem Kamin zu sitzen und die alten
Manuskripte für eine Weile zu vergessen. Und mit ihr zu schlafen.
    »Ich hätte wirklich große
Lust dazu, Angie, aber ich habe Randall mein Wort gegeben. Gott, dieses Zeug
ist der letzte Mist.«
    »Kürzlich nanntest du es noch
eine Herausforderung.« Ben lachte. Seine Verlobte hatte eine bemerkenswerte
Gabe, jemanden aufzuheitern. »Das ist dasselbe. Ja, es ist eine
Herausforderung.« Sein Blick schweifte zurück zum Schreibtisch, blieb aber
nicht an der Fotokopie von Randalls Kodex, sondern an dem braunen Umschlag
haften, der Weatherbys drei Fotografien enthielt. Das war es, was ihn wirklich
beschäftigte. Nicht der alexandrinische Kodex oder sein Versprechen gegenüber
Joe Randall. Es waren die drei Fragmente einer Schriftrolle, die vor kurzem in
Khirbet Migdal ausgegraben worden war und deren letzte paar Zeilen noch nicht
übersetzt waren.
    »Angie, ich werde ein
Nickerchen machen, dann aufstehen und die Arbeit in Angriff nehmen. Ich habe
Randall versprochen, ich würde ihm in zwei Wochen die beste Übersetzung
abliefern. Du verstehst schon.«
    »Natürlich. Und paß auf, wenn
es in deiner Magengegend zu rumoren anfängt, ruf mich an, und ich bringe dir
einen Schmortopf vorbei.«
    Er blieb am Telefon stehen,
nachdem er aufgelegt hatte, und bemerkte gar nicht, wie Poppäa Sabina ihm um
die Beine strich. Sie schnurrte und miaute abwechselnd und wand ihren schlanken
Körper um seine Wade, um ihn auf verführerische Art daran zu erinnern, daß sie
auch noch da war. Doch Ben nahm keine Notiz davon. Er dachte an die magdalenische
Schriftrolle. In seiner ganzen Laufbahn war ihm so etwas noch nie begegnet. Und
wenn von Weatherby noch weitere Rollen kommen sollten und wenn David Ben Jona
etwas Interessantes zu sagen hatte,
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