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Der Fluch der falschen Frage

Der Fluch der falschen Frage

Titel: Der Fluch der falschen Frage
Autoren: Lemony Snicket
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stellen.
    » Aber wer sind diese anderen Leute?«, fragte sie. » So eine Art Klub?«
    » Das ist geheim«, sagte ich. » Im Prinzip ist diese ganze Geschichte streng geheim.«
    » Wenn sie so geheim ist, warum erzählst du mir dann davon?«
    » Weil du mir sympathisch bist, Miss Feint«, gab ich zurück. » Ich dachte, vielleicht findest du es interessant.«
    Ellington Feint antwortete mit einem langsamen, anteilnehmenden Nicken, und zusammen schepperten wir die Stufen hinunter. Ellington drückte Knopf A, um die Ausziehtreppe wieder einzufahren, und stützte dann ihre grüne Handtasche auf den Tresen, während die Maschine ihr einen Kaffee machte. Ich wandte den Blick von Ellington Feint ab und beobachtete stattdessen den Dampf, der aus dem Deckel der raffinierten Apparatur gequollen kam. Es sah hübsch aus. Das Pianola klimperte, und nach einem Weilchen sank mir die Stirn auf den Tresen. Das Letzte, was ich vor dem Einschlafen sah, war Ellingtons Lächeln, und es war das Erste, was ich sah, als ich aufwachte.
    » Guten Morgen, Junker Snicket«, sagte sie. Sie hatte aus ihrer Handtasche eine Orange zum Vorschein gebracht und schälte sie mit den Fingernägeln, so dass die Schale sich als durchgehende Spirale ringelte. Ich gähnte und stand auf. Ellington hatte mir ihren Mantel wie eine Decke um die Schultern gelegt, und ich schob ihn ihr wieder hin, obwohl er angenehm gewärmt hatte. Diverse Körperteile gaben mir zu verstehen, dass sie es zu schätzen wissen würden, wenn ich künftig wieder liegend im Bett schlief anstatt im Sitzen am Tresen vom Gatto Nero Caffè. Ich versicherte ihnen diskret, dass dies eine Ausnahmesituation sei, und ließ mir von der Maschine ein Brot zum Frühstück machen. Ellington bot mir von der Orange an, brach sich ein paar Brocken von meinem Brot ab und knabberte daran.
    » Ich habe nachgedacht, während du geschlafen hast«, bemerkte sie.
    » Und was hast du gedacht, Miss Feint?«
    » Ich habe gedacht, dass du recht hast. Brandhorst ist nicht zu trauen. Ich darf ihm die Bordunbestie nicht geben.«
    » Dann hilfst du mir, sie den Mallahans zurückzubringen?«, fragte ich. » Versprichst du es?«
    » Wenn du mir dafür meinen Vater suchen hilfst«, sagte sie. » Hand drauf, ja?«
    Wir gaben uns die Hand darauf, fest. Dann beendeten wir unser Frühstück und verließen das Gatto Nero Caffè, Ellington mit ihrer grünen Reißverschlusswurst über dem langen Mantel und einem Abschiedslächeln für das Pianola. Die Sonne ging eben erst auf, und Schwarz-aus-dem-Meer wirkte nicht so unheimlich und leer wie sonst immer. Es wirkte friedlich. Normalerweise knapste ich mir um diese Tageszeit gern ein paar Minuten fürs Lesen ab, bevor der Morgen begann, und ich fragte mich, was Brandhorst wohl mit den drei Bibliotheksbüchern in ihrem Zeitungspaket gemacht hatte. Wir sprachen nicht auf unserem Weg durch die Straßen; es reichte, dass die verhaltenen Frühmorgengeräusche zu uns sprachen. Ein paar Vögel, ein paar Insekten. Der Klang unserer Schritte. Nicht lange, dann gingen wir an der seltsamen, undeutbaren Statue vorbei und die Stufen zur Bibliothek hinauf. Dashiell Qwertz scheuchte ge rade n eue Motten aus der Tür, als wir hereinkamen.
    » Ich habe mich schon gefragt, wer das um diese Zeit sein kann«, sagte er und sah erst Ellington an und dann mich. Sein Gesichtsausdruck war so leer wie immer, nur in seinen Augen blitzte ein Funken Neugier.
    » Wir wollten bloß kurz was nachschlagen«, sagte ich ihm.
    » Fühlt euch wie zu Hause«, sagte er, aber ich führte Ellington schon zu der Stelle, an der ich die Statue zum letzten Mal gesehen hatte. Mein Herz klopfte lauter, als wir um die Regalecke bogen, ein Rumpeln fast wie das der Apparaturen im Gatto Nero Caffè. Die Bordunbestie hatte mir schon zu oft ein Schnippchen geschlagen. Ich ließ den Blick die Buchrücken entlangwandern und zog An Analysis of Brown, Black and Beige aus dem Regal. Vielleicht, Snicket, sagte ich mir. Vielleicht ist die Statue weg.
    Aber da war sie.
    » Wieso hast du sie ausgerechnet hier versteckt?«, fragte Ellington flüsternd.
    » Eine Bibliothek ist per se ein sicherer Ort«, erklärte ich ihr, » und dieses Buch sieht so öde aus, dass ich dachte, das wird so schnell keiner ausleihen.«
    » Da täuschst du dich, Junker Snicket«, sagte Ellington. » Das ist das erste Buch, das ich ausleihen würde.« Und so wie sie das Buch ansah, musste ich daran denken, was Qwertz gesagt hatte: In jeder Bibliothek steht das eine
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