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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer
Autoren: Tom Holt
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Tresens, und bevor er eingreifen konnte, hatte der neue Freund des Fremden dem Fremden mit voller Wucht die Faust ins Gesicht geschlagen.
    »Das gibt’s doch gar nicht!« fluchte der neue Freund des Fremden, als er das Blut aus seinen aufgeplatzten Knöcheln spritzen sah.
    Der Fremde grinste nur. »Nun mach schon! Hau ruhig weiter zu«, forderte er seinen neuen Freund auf.
    Bevor diese Aufforderung angenommen werden konnte, wurden beide Parteien von zwei trainierten Händen kräftig am Kragen gepackt und auf die Straße gesetzt. Was den Fremden betraf, so landete er ungünstig auf den Beinen, geriet ins Straucheln, verlor das Gleichgewicht und krachte mit voller Wucht gegen eine Parkuhr, die daraufhin – im Gegensatz zum Fremden – zu Bruch ging. Er kam mit leichter Verzögerung wieder auf die Beine, schaute sich kurz um und taumelte auf ein anderes Pub zu, an das er sich in diesem Stadtteil erinnerte. Als er dort ankam, war die Kneipe jedoch mit Brettern vernagelt. Sie war seit sieben Jahren geschlossen, und zwar genau seit dem Zeitpunkt, als zwischen einer Gruppe Marinesoldaten und einem fremden Mann eine Schlägerei ausgebrochen war, nach der fünf völlig verstörte königliche Matrosen mit gebrochenen Händen und Füßen ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten.
     
    Zum gegenwärtigen Zeitpunkt war der Dow-Jones-Index natürlich noch stabil, dem Hang Seng war es noch nie besser gegangen, der Aktienindex der Financial Times stieg wie an einer durchdrehenden Seilwinde in die Höhe, Termingeschäfte wurden abgeschlossen, als gäbe es kein Morgen, und die einzige Währungseinheit, die nicht ganz so gut abschnitt, war der ECU.
     
    In einer Garagenzufahrt im Zentrum von Cádiz pirschte sich ein völlig zerzauster Kater an eine leere Tüte Kartoffelchips heran.
    Gerade als er sich entschlossen hatte, zum Sprung anzusetzen, wurde die Chipstüte von einem Windstoß erfaßt und mitten auf die schmale Hauptstraße geweht, über die ein mit Tomatendosen beladener Sattelschlepper rollte. Obwohl der Kater den großen Lkw auf sich zukommen sah, entschied er sich, seiner Beute hinterherzujagen. Seit über einer halben Stunde hatte er sich immer wieder an sein Opfer herangepirscht, und er dachte gar nicht daran, es sich jetzt noch durch die Krallen gehen zu lassen.
    Es ehrte den Lkw-Fahrer wirklich, daß er alles tat, um noch rechtzeitig abzubremsen, aber einem schwerbeladenen Sattelschlepper die Eigendynamik zu nehmen, ist kein leichtes Unterfangen. Es gab ein dumpfes Geräusch, und der Kater flog quer über die Straße. Der Lkw-Fahrer setzte die Fahrt fort und vergaß kurz darauf diesen Zwischenfall.
    Der Kater kam leicht mitgenommen wieder auf die Beine und hielt nach der Chipspackung Ausschau, die aber nirgendwo zu sehen war. Im selben Augenblick kam eine englische Touristin und Katzenliebhaberin über die Straße gelaufen, um die Verletzungen des armen Tiers zu begutachten.
    Als sie den Kater aufstehen sah, traute sie ihren Augen nicht. Schließlich hatte sie kurz zuvor mit eigenen Augen beobachtet, wie er vom Lastwagen überfahren worden war und eigentlich hätte getötet werden müssen, was aber ganz offensichtlich nicht der Fall war. Als sie sich dem Tier bis auf ein paar Schritte genähert hatte, nahm sie plötzlich diesen unglaublichen Gestank wahr.
    Mit beiden Händen vor dem Gesicht taumelte sie zunächst ein paar Schritte rückwärts und tastete sich dann an den Hauswänden entlang davon.
    Der Kater war an solche Reaktionen gewöhnt, was diese allerdings nicht erfreulicher machte. Etwa zehn Minuten lang schmollte er vor sich hin, bis sein Blick auf eine weggeworfene Fruchtsafttüte fiel und sich seine Gedanken wieder auf die ernsthafte Aufgabe der Jagd konzentrierten. In seinem schier unendlich langen Leben hatte er gelernt, wie er seine Prioritäten richtig setzen mußte.
     
    Auf der Rückfahrt mit der U-Bahn in den Londoner Stadtteil Maida Vale langweilte sich das Mädchen, das zuvor den Fliegenden Holländer gesehen hatte, zu Tode. Sie hatte es schlichtweg vergessen, sich ein Buch für die Heimreise einzupacken. Natürlich hatte sie nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde mit dem Gedanken gespielt, heute abend nicht nach Hause zu fahren – Gott bewahre! Es war einzig und allein ihre Vergeßlichkeit gewesen, und die eintönige Beschäftigung mit den Werbeplakaten und dem Opernprogramm war nun die gerechte Strafe.
    Nach kurzer Stichprobe kam sie zu dem Schluß, daß das Opernprogramm wenigstens
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