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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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eigenen Betttücher aus Seridó-Baumwolle und seine in der Rua Direita maßgeschneiderten Anzüge mitgebracht hat, er demonstriert auch noch feierliche Verachtung für akademische Rituale und lässt die Sorbonne links liegen. Er engagiert einen métèque namens Garcia als Privatlehrer und besucht als Gasthörer die Universität von Bristol.
    La Gran Via  Der Lehrer Garcia ist arbeitslos und bekommt von dem südamerikanischen Senhorito die Erklärung zu hören, dass seine Studien keinen bloßen Bildungszweck erfüllen sollen. Ich habe nicht die Absicht, ein Mann der Gesellschaft mit einem salonfähigen Anstrich von vager Bildung zu werden wie so viele andere, sagt der Senhorito. Dem Lehrer bricht angesichts des pragmatischen Denkens seines Schülers der kalte Schweiß aus. Er muss diese Stelle bekommen, auch wenn er dafür Physik, Elektrizitätslehre und Chemie zu unterrichten hat, Fächer, die im Bois de Boulogne nicht gerade üblich sind. Er fragt, ob der junge Mann in die Industrie gehen wolle, und erhält eine ausweichende Antwort. Er wird engagiert.
    Die Insel der Pinguine  Ein neuer Sport zieht die waghalsigsten jungen Männer in den Parc des Princes. Aber Waghalsigkeit allein genügt nicht, man muss auch noch sehr reich sein. Ein Roadster Peugeot kostet 25 000 Goldfrancs, ein Gottlieb Daimler 12 000 und ein Panhard et Levassor 32 000. Ganz abgesehen von dem ständig in Bereitschaft stehenden Mechaniker und den Reparaturen nach jeder Fahrt.
    Alberto kauft einen Roadster Peugeot und schließt sich mit 16 Stundenkilometern der Clique an. Auf einen Mechaniker kann er verzichten, denn er ist imstande, die weißen Handschuhe auszuziehen und selbst Hand an den komplizierten Mechanismus zu legen. Die jungen Barone, Unternehmenserben und Bankierssöhne wissen nicht recht, ob sie den kleinwüchsigen, herausgeputzten Südamerikaner um seine manuelle Geschicklichkeit beneiden oder dafür verachten sollen. Schließlich nehmen sie seine Exzentrizität als Frucht einer exotischen Herkunft. Und Alberto wird zu dem beliebten Petitsantôs.
    Nur sein Lehrer Garcia scheint mit den Extravaganzen nicht einverstanden zu sein. Wenn sein Schüler verunglückt, wer wird ihm dann je wieder 2 000 Francs im Monat zahlen?
    Bräuche und Moral im Spätkapitalismus  In dem Roadster Peugeot fährt er mit 16 Stundenkilometern auf den von Zypressen gesäumten Landstraßen des Marnetals. Dann kauft er eine voiturette , ein »Wägelchen« von De Dion, das bis zu 35 Stundenkilometer erreichen kann. Die badenden Damen in Nizza sind entzückt.
    Wie klein er ist, tuscheln die Midinetten, die den Passanten in der Rue du Temple Veilchen anbieten. Er geht dazu über, wegen ihrer streckenden Wirkung längs gestreifte Anzüge zu tragen. Trotzdem hört er noch bei Wettrennen zwischen von Straußen gezogenen zweirädrigen Karren Bemerkungen über seine kleine Statur. Bei einem renommierten Handwerker der Rue de Turbigo bestellt er Stiefeletten, um fünf Zentimeter größer zu werden. Die Franzosen sehen weiterhin auf den Brasilianer herab. Das Problem liegt nicht in der Statur, sondern im Breitengrad.
    Eines Tages verbietet der Direktor des Parc des Princes die Dreiradrennen. Petitsantôs macht sich zum Fürsprecher und protestiert gegen die Maßnahme. Der Direktor ist ein vorsichtiger Mann und findet, das Velodrom sei nicht dafür gebaut worden, dass hirnlose junge Männer sich dort den Hals brechen. Der Neffe des Grafen Maturin hat sein Leben verloren, der Enkel des Marschalls Bobineaux ist gelähmt, und der jüngste Bruder des Vicomte de Parma vom Crédit Lyonnais liegt mit einem schweren offenen Bruch im Hospital.
    Petitsantôs versucht, das Velodrom zu mieten und die Verantwortung zu übernehmen. Der Direktor erkundigt sich, wer er sei, dass er das Velodrom mieten wolle. Der Erbe eines Pharmaimperiums, der die Geschwindigkeit mehr liebt als den Verkauf von Wurmmitteln, wundert sich über die Frage. Wieso wisse der Direktor nicht, wer Petitsantôs sei? Und sei es überhaupt wichtig zu wissen, wer er sei? Selbstverständlich, erwidert der Direktor arrogant. Im Parc des Princes verkehre die beste Pariser Gesellschaft, und da könne nicht einfach irgendwer ihn mieten. Sei der ungestüme junge Mann wenigstens Franzose? Nein, das sei er nicht. Vielleicht halb Franzose. Und der Direktor untersagt die Rennen, weil er nicht weiß, was es bedeutet, halb Franzose zu sein.
    Die Theorie der müßiggängerischen Klassen  Albertos Reichtum kommt aus der
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