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Der fliegende Brasilianer - Roman

Der fliegende Brasilianer - Roman

Titel: Der fliegende Brasilianer - Roman
Autoren: Edition Diá <Berlin>
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geht. Abgesehen von Seiltänzern, Feuerschluckern, Schlangenmenschen, diesen zirzensischen Attraktionen, soll auf dem Platz ein Ballon aufsteigen. Sie engagieren Lachambre und Machuron, aber in der Stadt erscheint ein kleiner, elegant gekleideter Mann, der den zusammengepackten Ballon in einem glänzenden Roadster Peugeot transportiert. Der Bürgermeister empfängt den jungen Mann mit Missfallen. Er hat zwei französische Pioniere verpflichtet, und vor ihm steht ein Ausländer mit städtischem Benehmen und erlesenem Geschmack.
    Am Sonntag, dem letzten Markttag, wird der Ballon auf dem Marktplatz der Stadt vor dem Rathaus vorbereitet. Der kleine Mann ist wortkarg und gibt nur einsilbige Antworten. Er hat den Ballon fast allein hergerichtet, nur mithilfe von zwei Kutschern, die auf dem Platz auf Kundschaft warten und ein paar Sous für ihre Hilfe erhalten haben.
    Als es Nachmittag wird und der Augenblick des Aufstiegs näher rückt, braut sich am Horizont ein Herbstunwetter zusammen. Der Bürgermeister wird nervös, aber der kleine Mann lässt keinerlei Besorgnis erkennen.
    Bald ist der Platz von Neugierigen überfüllt, und der kleine Mann steigt ungeachtet des aufziehenden Unwetters in die Ballongondel und gibt Anweisung, das Tau loszulassen.
    Der Ballon erhebt sich unter dem Beifall der Marktbesucher und steigt in die von bedrohlich schwarzen Wolken bedeckten Höhen auf. Und verschwindet.
    Sturm und Drang  So sind Unwetter also, denkt Alberto, während er in den Wirbel von schwarzen Wolken, die seine Sicht auf null reduziert haben, hineingezogen wird. Elektrische Entladungen flammen zwischen den Wolken auf, und das Brausen der Winde klingt, als fauche die entfesselte Natur wie eine Raubkatze. In diesem Strudel aufeinanderprallender Kräfte ist das Knallen der Donner kaum zu hören.
    Nun weiß er zwar, dass es möglich ist, gegen das Gesetz der Schwerkraft anzugehen, aber der Anarchie von Unwettern zu trotzen ist verwegen. Deshalb also meiden die Vögel Unwetter, denkt er. Und er widmet sich dem Anblick der bedrohlichen Schönheit der entfesselten Elemente, während der Ballon ständig weitersteigt.
    Dann Stille. Die Ruhe eines Himmels mit seinen ersten Sternen.
    Der Ballon hat, wunderbarerweise unbeschädigt, die Unwetterschicht durchquert. Er schwebt in einer anderen Welt, keine scharfen Donnerschläge, Regenböen und flackernden Blitze leisten ihm mehr Gesellschaft. Jetzt ist er allein, schwebt zwischen dem Wahnwitz, der dort in der Tiefe das Land im Norden heimsucht, und der teilnahmslosen Stille der Abendsterne. Er fröstelt in der nassen Kleidung. Der Mangel an Sauerstoff erzeugt eine merkwürdige Euphorie, eine Leichtigkeit, die ihn in trügerische Nähe zu den Sternen rückt. Und jetzt sind nur Sterne da. Nichts anderes ist mehr zu sehen, die dunkle Nacht hat die Erde vollkommen ausgelöscht. Alberto bewegt sich innerhalb der vollendeten geometrischen Form einer unendlichen schwarzen Kugel.
    Vom Wind getrieben, gegen die Müdigkeit und das durch den Sauerstoffmangel verursachte ständige Gefühl von drohender Ohnmacht ankämpfend, fliegt er durch die Nacht. Schreckliche Visionen zucken durch sein Bewusstsein, die Sterne scheinen sich verflüssigt zu haben und aufflackernde Blitze in fantastischen Farben herabtropfen zu lassen. Die Kugel in ihrer Schwärze ist auch kein fester Körper, sie verwindet sich, manchmal flattert sie wie ein erschlaffender Ballon oder bebt wie die keuchende Brust eines monströsen Lebewesens.
    Mitten in diesen Wunderbildern schläft Alberto ein.
    Auf der anderen Seite der Grenze  Die kräftige Morgensonne brennt ihm auf der Gesichtshaut. Alberto wacht durstig, mit eingeschlafenen Beinen und verquollenen Augen auf. Seine nasse Kleidung ist inzwischen getrocknet, aber er fühlt sich leicht unterkühlt.
    Er zieht seine Taschenuhr und stellt fest, dass er seit über 17 Stunden unterwegs ist. Eine weite, noch nicht bestellte Ackerfläche, die auf den Winter wartet, dehnt sich bis zum Horizont. Der Ballon hat viel Gas verloren und sinkt. Alberto reckt seinen müden Körper und steht auf. Er öffnet die Ventile und lenkt den Ballon dem festen Erdboden entgegen. Es ist fast acht Uhr morgens, als der Korb sanft über die Erde schrammt.
    Alberto springt heraus, ergreift das Tau und bindet den Ballon an einem Baumstamm fest. Die Hülle leert sich schnell und legt sich auf den feuchtkalten Boden. Es ist sehr kalt, vielleicht zwei oder drei Grad, und eine Nebelschicht hängt über dem Feld,
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