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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Autoren: Loretta Napoleoni
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dessen Staatsschulden mittlerweile bei über 200 Prozent des BIP liegen, hat diese Probleme nicht. Das Land kann Geld drucken, wenn nötig, und verfügt über eine Zentralbank, die die Rolle des letztinstanzlichen Gläubigers einnehmen kann.
    Märkte und Börsen signalisieren uns also längst, was offensichtlich niemand einsehen will: Wenn sich die Lage nicht ändert, sind für diese Länder so hohe Schulden nicht tragbar. Die wirtschaftliche und soziale Stagnation führt dazu, dass sich die Ansteckung schnell weiterverbreitet. Veränderung tut not. Dabei aber geht es nicht darum, dass wir die Bilanz aufhübschen, indem wir den einen Posten in den Staatsausgaben verschieben, den anderen streichen. Auch die Wachablösung in den Reihen der Politiker bringt uns hier nicht weiter. Der Mario-Monti-Effekt hat nicht einmal einen Tag lang gedauert. Die Wahl Mariano Rajoys in Spanien hat dem Land nur noch höhere Zinssätze eingebracht. Und Lucas Papademos konnte den Widerstand des Volkes gegen die Sparpolitik in Griechenland auch nicht dämpfen. Die Märkte fordern Wachstum von diesen Staaten. Und siehe da: Ausnahmsweise will das Volk dasselbe.
    Dummerweise blockiert der Euro Alternativen zur neoliberalistischen Politik, auf deren Grundlage er entstanden ist. Warum also verteidigen wir ihn auf Teufel komm raus, auch auf die Gefahr hin, dass wir gnadenlos verarmen? Weil wir immer noch davon überzeugt sind, dass der Euro uns Wohlstand gebracht hat. Vor etwa zwanzig Jahren, als Berlusconi 1994 in die Politik eintrat, hieß es, die wirtschaftliche Lage Italiens sei eine Katastrophe: Die Staatsschulden lagen bei 121 Prozent des BIP, der Zinssatz für zehnjährige Anleihen lag bei 9 Prozent. (Die Inflation betrug damals 4,2 Prozent, während sie heute bei 2,6 Prozent liegt.) Der Spread zu den deutschen Staatsanleihen variierte zwischen 300 und 450 Punkten. Die Ähnlichkeiten mit der heutigen Situation sind frappierend. Doch 1994 wuchs die italienische Wirtschaft jährlich um 2,2 Prozent, während das Wachstum 2011 0,5 Prozent betrug. Damals wies das Land einen positiven Leistungsbilanzsaldo von 1,2 Prozent des BIP auf, 2011 ein Defizit von 3,9 Prozent.
    Obwohl die italienischen Staatsschulden eine noch recht lange durchschnittliche Laufzeit von sieben Jahren haben, liegt der Zins dafür mittlerweile bei 6 Prozent. Würden wir so schnell wachsen wie China, wäre dies kein Problem, aber Italien hat kein Wachstum. 2011 betrug es magere 0,5 Prozent, doch es gibt zahlreiche Stimmen, die von einem Schrumpfen der volkswirtschaftlichen Leistung ausgehen. Als wäre das noch nicht genug, geht man auch für die nächsten drei Jahre von Preisstabilität aus, was bedeutet, dass das Land möglicherweise in die Deflation rutscht.
    Wie also sollten wir aus dieser Leistungsbilanz die 6 Prozent herausholen, um die Zinsen für unsere Schulden zu bezahlen? Indem wir die Staatsausgaben radikal drosseln, was Griechenland getan hat, mit den bekannten Ergebnissen. Leider haben weder Italien noch Griechenland die Wahl, einen alternativen Weg einzuschlagen: die eigene Währung abwerten, um den Wert der Schulden zu reduzieren, und Geld drucken, um der Deflation zu begegnen. Aber warum ist das so? Weil sie nicht mehr souverän über ihre Währung verfügen können.
    Mario Monti ist kein Zauberkünstler. Die Maßnahmen, denen er Italien jetzt unterwirft, sollen die Staatsausgaben drücken und das Steueraufkommen erhöhen. Das führt dazu, dass die volkswirtschaftliche Leistung sinkt. In der Folge steigt die Staatsschuld in Prozent des BIP, auch weil die Zinsen auf die Schulden hoch bleiben werden.
    Wer nun annimmt, die Lösung des Problems liege in den vielbeschworenen Eurobonds, täuscht sich. Was die Deutschen uns regelmäßig vorbeten, stimmt nämlich: Mit den Eurobonds verlagert man die Staatsschuld nur auf die EU, den Staatenbund. Ähnlich wie im Jahr 2008, als kurz vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die Rettungsmaßnahmen des Staates die Schulden großer Finanzinstitutionen auf den Staat übertrugen. Da es keine gemeinsame Fiskalpolitik auf EU-Ebene gibt, die das Steueraufkommen der Mitgliedsländer in die Kassen der EU lenken würde, wer wird für die Eurobonds geradestehen? Die Antwort kennen wir alle: Deutschland. Aus diesem Grund wehren sich die Deutschen so vehement auch gegen die kurzfristige Auflage von Eurobonds.
    Um Wachstum zu schaffen, muss man wettbewerbsfähig sein. Das bedeutet, dass sowohl Kapital- als auch Arbeitskosten unter
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