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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Autoren: Loretta Napoleoni
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»Non-Event« gewesen, auf dem alle sich gegenseitig die Schuld zugeschoben hätten. Die Chinesen sahen dem Geschehen phlegmatisch zu und reagierten nicht auf die Hilfeersuchen der EU-Länder. Auch die Emerging Markets zeigten sich dem Gebettel des IWF gegenüber eher spröde. Nicht einmal die unausgesetzten Gipfeltreffen von Staatsoberhäuptern und Finanzministern in Brüssel konnten die Märkte beruhigen. Und wäre es denn ein Wunder? Keineswegs. Denn die einzelnen Ereignisse ließen vor allem eines vermissen: Professionalität. Denken wir doch an die Slowakei, die zuerst der Auszahlung der letzten Tranche aus dem Rettungspaket für Griechenland durch ihr Veto Einhalt gebietet, nur um dies dann gleich wieder zurückzunehmen. Oder an die Volksabstimmung über die Sparpolitik, die Papandreou vorschlug, bis er sie auf Druck von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wieder kassierte. Und die Wachablösung in Italien: Blieben die vormaligen Regierungsmitglieder vorzugsweise in Diskotheken hängen, finden die jetzigen den Weg nicht aus der Bibliothek. Die Verteidiger des Euro flößen nun wirklich kein Vertrauen ein.
    Denn es stimmt einfach nicht, dass der Absturz an den Aktienmärkten nur auf die Praxis des Shortselling zurückgeht. Tatsächlich wurde der sogenannte »Leerverkauf«, bei dem man sich Aktien oder Anleihen gleichsam leiht und sie zu hohen Preisen verkauft, um sie dann nach einem erwarteten Kurssturz billiger wieder zurückzukaufen und den Gewinn einzustreichen, bis zum Sommer verboten. Den Spekulanten die Verantwortung zuzuschieben ist nur ein weiterer Trick der Politiker, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Es sind Banken, Investment- und Pensionsfonds, die auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen der PIIGS-Staaten gekauft haben. Mit unseren Spargroschen. Kein Wunder also, dass die Manager sich vor der eventuellen Pleite schützen wollen. Sie fürchten, dass Italien, Spanien, Portugal und möglicherweise auch Irland bald in derselben Situation sind wie Griechenland und jede Anleihe nur noch zu 50 oder 60 Prozent ihres Nominalwertes zurückgezahlt wird. Da ist es doch besser, man reicht sie gleich an die Europäische Zentralbank weiter oder tauscht sie gegen gesicherte Anleihen ein.
    Tatsächlich kam es im Herbst 2011 zu einer besorgniserregenden Liquiditätsklemme im Bankensystem. Den europäischenBanken fällt es immer schwerer, Geld von institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungen und Kreditinstituten zu bekommen. Die einzige Liquiditätsquelle ist mittlerweile die EZB, die jedoch zur Absicherung lediglich bestimmte Formen der Anleihe akzeptiert wie zum Beispiel Staatsanleihen. Nur dank dieser Regelung können die PIIGS-Staaten ihre Anleihen überhaupt noch auf dem Markt platzieren.
    Gekauft werden sie durchweg von europäischen Banken, die sie sofort an die EZB weiterverkaufen. So umgeht diese das Verbot, direkt die Staatsschulden der Defizitländer zu finanzieren, das Deutschland gewollt hatte. Allein im September 2011 haben die Banken der Euro-Zone auf diese Weise 590 Milliarden Euro gegen Anleihen der PIIGS-Staaten eingetauscht. Zu den größten Schuldnern der EZB gehören der Bankensektor in Frankreich und Italien, die dort jeweils einen Kreditrahmen von 100 Milliarden Euro haben. Natürlich kann dieser Trick nur kurzfristig funktionieren, die EZB ist nicht stark genug, um das gesamte Staatsdefizit der Euro-Zone zu schultern. Italien beispielsweise muss im Jahr 2012 Anleihen für insgesamt 375 Milliarden Euro auf den Markt bringen. Nicht einmal der Euro-Stabilitätsfonds, den man auch als »Europäischen Währungsfonds« bezeichnet, hat Geld für eine weitere »Mission Impossible«.
    Der beste Indikator für das Misstrauen an den Märkten aber ist der Zinssatz, zu dem ein Staat sich Geld leihen kann. Bei den Herbstauktionen war der Spread, also der Zinsunterschied zu deutschen Staatsanleihen, schon enorm angewachsen. Italien und Spanien mussten in etwa dieselben Zinssätze bezahlen wie Ende der neunziger Jahre, als die Märkte von jenen Staaten, die die schlechte Gewohnheit hatten, des Öfteren ihre Währung abzuwerten, höhere Zinsen forderten. Der positive Effekt des Euro ist also weg, der negative aber bleibt: Die Zentralbanken der einzelnen Länder können weder abwerten noch die Notenpresse anwerfen.
    Der monetäre Souveränitätsverlust aber lässt das Misstrauen in Länder wie Italien, deren Staatsschulden mehr als 100 Prozent ihres BIP betragen, noch wachsen. Japan nämlich,
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