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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Autoren: Loretta Napoleoni
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zu kümmern, wie man die aktuellen Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Pensionsberechtigten erfüllen könne. In Griechenland, das mit Hilfe der großen Geschäftsbanken seine Bilanzen frisierte. Und in Italien, wo man die Schulden des Gesundheitssystems so verbriefte, dass lediglich die Zinszahlungen in den Bilanzen auftauchten. All dies sind Notfallmaßnahmen, zu denen man nur in Krisenzeiten greifen sollte. Reich wird man damit nicht. Und doch werden sie immer wieder angewandt, einfach weil die Banken, die diese Papiere zusammenbasteln, unglaubliche Summen damit verdienen. Und weil die Käufer geradezu sträflich leichtgläubig sind. Dennoch handelt es sich um offenen Betrug. Wie der Kater und der Fuchs den armen Pinocchio allmählich einwickeln, so leimen Politik und Hochfinanz den Staat der Bürger. Denn die Bürger sind es, die von diesen Geschäften nicht das Geringste haben, aber am Ende dafür bezahlen.
    Mit Pinocchio geht es erst wieder aufwärts, als er für seine Fehler bezahlt hat. Der Fuchs, der Kater und alle anderen, die der armen Holzpuppe übel mitspielen, erleiden kein so schreckliches Schicksal wie er. Der Grund? Nun, in der Geschichte geht es nicht um sie. Die Hochfinanz spielt in der Geschichte des Staates eigentlich nur eine Nebenrolle. Die Staaten sind die Opfer, die Pinocchios der Schuldengeschichte. Daher bringt es nichts, die Finanzorganisationen zu strafen, die die Katastrophe herbeigeführt haben. Es sind die Staaten, die dazulernen müssen. Nur eine verantwortungsvolle Staatsführung kann ihre Bürger wirklich vor Gefahren schützen, auch vor den Sirenengesängen der Hochfinanz. Am Ende geht die Geschichte aus wie bei Pinocchio, der erst dann gerettet ist, als er sich in einen Jungen verwandelt, ein menschliches Wesen. Die Rettung ist nah, wenn wir alle Formen schlechter Regierungsführung beseitigen und eine verantwortungsvolle Staatsführung einfordern, die tatsächlich den Interessen ihrer Wähler dient.
    Nach diesen einleitenden Bemerkungen können wir nun Argentiniens Reaktion auf den Staatsbankrott genauer unter die Lupe nehmen. Die erste Entscheidung, die Argentiniens Regierung traf, war, den Einflüsterungen des IWF und der traditionellen Finanzinstitute kein Gehör mehr zu schenken und die starre Bindung des Peso an den Dollar aufzugeben. Natürlich stürzte die argentinische Währung zunächst einmal brutal ab. Die zweite Entscheidung war, sich nicht gegen die steigende Inflation zu stemmen, sondern eher auf steigendes Wirtschaftswachstum zu setzen. Was funktionierte.
    Was nicht geklappt hatte, war eben die Einführung des neoliberalistischen Wirtschaftsmodells der neunziger Jahre und damit einer antiinflationären Fiskalpolitik, die den argentinischen Peso fest an den Dollar band. Warum? Weil dadurch in ganz Lateinamerika das Wachstum verringert wurde. Von 1980 bis 2006 stieg das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner gerade einmal um 14 Prozent, von 1960 bis 1980 war es um 82 Prozent angewachsen.
    Mit der antiimperialistischen Wendung, die die Politik in Ländern wie Argentinien, Brasilien und Peru vollzog, wollte man sich nicht nur dem Einfluss der westlichen Finanzinstitute entziehen, der die Länder immer stärker zum Schuldenmachen nötigte. Vor allem mussten die Staaten ein Wirtschaftsmodell aufgeben, das sie vollständig oder beinah in den Ruin getrieben hatte. Vor die Wahl zwischen dem Anstieg der Schulden und dem Anstieg der Inflation gestellt, entschieden sie sich für Letzteres, weil so wenigstens ein gewisses Wirtschaftswachstum gewährleistet blieb. Von 2002 bis zur Wirtschaftskrise von 2008 war die argentinische Wirtschaft um 65 Prozent gewachsen. Im Jahr 2011 lag die Wachstumsprognose für Argentinien bei 8,3 Prozent jährlich, für Italien bei gerade einmal 1 Prozent. Dazu kommt noch, dass das Wachstum nicht auf Export oder hohen Preisen für Rohstoffe beruht, sondern auf der Binnennachfrage. Und auch die Vorhersage, die ausländischen Investoren würden sich zurückziehen, hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Zwischen 2003 und 2007 lag die Quote der ausländischen Investitionen bei 1,4 Prozent, was für eine Volkswirtschaft mit niedrigen bis mittleren Einkommen als normaler Wert gilt.
    Entscheidend für den Erfolg Argentiniens ist die Unnachgiebigkeit, mit der das Land bei der Verhandlung über seine Auslandsschulden aufgetreten ist. Ziel war, den Schuldendienst keinesfalls das Wirtschaftswachstum bremsen zu lassen. Am Ende waren die Kosten sehr viel
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