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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Autoren: Loretta Napoleoni
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Italien den Gnadenstoß darstellen. Da sind zum einen die Attacken der Spekulanten auf Italien, die aus der Angst herrühren, das Land könnte die Wende vielleicht nicht schaffen. Andererseits werden italienische Staatsanleihen verstärkt auf den Markt geworfen, um diese Position im Portfolio zu verringern, da das Defizit des Landes zu hoch geworden ist. Und dieses Phänomen wiederholt sich.
    Die Leichtigkeit, mit der Argentinien sich in den neunziger Jahren mit Geld versorgen konnte, verführte die Regierung zur Verschwendung statt zum Sparen, Investieren und zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Doch die Finanzierung der Pensionen über die Emission von Staatsanleihen erwies sich schon bald als nicht mehr länger haltbar, auch weil Argentinien eine sehr hohe Anzahl Pensionäre hat. Schließlich verschlangen die Ausgaben für die Pensionen 70 Prozent des Staatshaushalts. Natürlich hatten weder die Ökonomen des IWF noch die Regierungsbeamten diese Entwicklung vorhergesehen, als man sich entschied, das argentinische Pensionssystem zu privatisieren … Auch hatte niemand die Argentinier gewarnt, besser auf die Akkumulation der Staatsschulden zu achten. Ganz banal gesagt, hat offensichtlich niemand zwei und zwei zusammengezählt.
    Das wenig haushälterische Wirtschaften und die enorme Staatsverschuldung führten dazu, dass das Haushaltsdefizit in Argentinien von 29 Prozent des BIP 1993 auf 41 Prozent 1998 stieg. Auch in den PIIGS-Staaten sind, wie wir bereits gesehen haben, die Staatsschulden seit dem Euro-Beitritt angestiegen statt gesunken. Aus genau denselben Gründen.
    Die Privatisierung der argentinischen Wirtschaft folgte außerdem keineswegs den Grundsätzen des freien Marktes und echten Wettbewerbs, sondern wurde von Schmiergeldzahlungen und Korruption gesteuert. Am Ende kostete der Zugang zu so einfachen Dienstleistungen wie Telefon oder Strom den Bürger zehnmal so viel wie vor der Privatisierung. Nun verschuldeten sich auch die Privathaushalte, weil viele sich selbst grundlegende Dinge nicht mehr leisten konnten, aber auch weil der Zugang zu Krediten relativ einfach war. Also stieg nicht nur das staatliche Haushaltsdefizit, sondern ebenso die private Verschuldung. Eine Geschichte, die sich in Europa wiederholen sollte.
    Doch auf dem Papier sah immer noch alles bestens aus: Argentinien hatte ein Super-Rating. Es konnte seine Anleihen zu sehr viel niedrigeren Zinsen platzieren als die anderen lateinamerikanischen Staaten. Die Wirtschaft wurde vom festen Dollar-Wechselkurs gestützt und wuchs stetig. Doch das Ganze war ein Potemkinsches Dorf, die Wirklichkeit sah anders aus.
    Und wiederum bietet sich in den PIIGS-Staaten, wo Korruption, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit den Euro ein Jahrzehnt lang begleiten, das gleiche Bild. Die wenig gesunde Wirtschaft dieser Länder hält dem Ansturm des Virus nicht stand. Und das Virus kommt von weit her, ähnlich wie der Zusammenbruch Argentiniens in direktem Zusammenhang mit der Asienkrise steht.
    Eine Zeit lang hat man sich brennend für Argentinien interessiert, aber mit einem Mal ziehen die Investoren das Geld ab. Teils, um die Verluste aus den Asiengeschäften aufzufangen, teils auch, weil das Staatsdefizit langsam untragbar wird und man Gewinne sichern will. Wer sich in Asien die Finger verbrannt hat, will sich nicht in Argentinien auf den Grill legen lassen. Die Liquidität an den Märkten sinkt, und es wird für die argentinische Regierung immer schwieriger, das Defizit zu erträglichen Zinsen zu finanzieren.
    Im Jahr 1999 schließlich stürzt die Wirtschaftskrise im benachbarten Brasilien, dessen Wirtschaft mit der argentinischen eng verknüpft ist, das Land in einen teuflischen Strudel, aus dem es sich nicht mehr befreien kann. Das Wachstum reduziert sich, die Staatseinnahmen sinken, der Primärsaldo wird negativ, der Staat kann seine Schulden nicht mehr bezahlen, der Markt bricht ein, es kommt zur Rezession usw. Der IWF gewährt Argentinien einen Kredit von 14 Milliarden Dollar, doch diese reichen nicht aus. Um argentinische Staatsanleihen unter die Leute zu bringen, muss das Land nun 10,5 Prozent mehr Zinsen bezahlen als der amerikanische Staat für seine Treasury Bonds – das ist zu viel.
    Der letzte Rettungsversuch kommt von der Wall Street. Ein Konsortium von Banken und Finanzierungsgesellschaften schlägt einen Debt-Swap vor, bei dem die Laufzeit der Kredite verlängert wird, der aber noch mehr an Zinsen und Provisionen kostet. Mittlerweile
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