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Der fingerkleine Kobold

Der fingerkleine Kobold

Titel: Der fingerkleine Kobold
Autoren: EDITION digital Verlag
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nachdenken.
„Und was hast du dir dabei gedacht?“, fragte sie endlich.
    Oje, dachte Christoph, das ist eine schwere Frage, wie soll
man darauf wahrheitsgetreu antworten? Er blieb stumm.
    „Aha“, sagte die Mutter, „gar nichts hast du gedacht. Warum
bist du denn nicht in der Schule gewesen? Und wo hast du den ganzen Tag
gesteckt?"
    Na ja, das konnte er beantworten. „Weil ich, wegen der
verschwundenen Märchenbücher nämlich und wegen der Ohrfeige, auf alle und auf
alles böse war, auf die ganze Welt", sagte Christoph. „Und ich war im Wald
hinterm Friedhof. Und am Nachmittag war ich zu Hause."
    Frau Rose saß im Sessel und schwieg. Sie schimpfte nicht,
sie schwieg nur. Das war schlimm, fand Christoph. Er hätte sie gern mit etwas
versöhnt, er war gar nicht mehr böse wegen der Ohrfeige, aber zu sagen wusste
er auch nichts.
    „Und was soll nun werden?", fragte Frau Rose.
    „Na, nichts weiter, ich geh morgen eben wieder zur Schule
und übermorgen, und überhaupt immer", sagte Christoph. „Wenn keine Ferien
sind und keine Sonntage oder Feiertage und ich nicht krank werde und die Schule
nicht abbrennt", setzte er hinzu, damit auch keine unbeabsichtigte Lüge in
seinen Worten blieb.
    „Und morgen?“, fragte Frau Rose. „Was sagst du, wenn Frau
Becker dich fragt?“
    „Die Wahrheit“, sagte Christoph; „Ich sage jetzt immer nur
die Wahrheit."
    „So?", sagte Frau Rose erstaunt. „Das ist sehr gut.
Aber dann bekommst du gewiss einen Eintrag wegen unentschuldigten Fehlens, und
damit wirst du auch in Betragen keine Zwei mehr haben.“
    Christoph seufzte. Daran hatte er ja noch gar nicht gedacht!
Er überlegte lange, dann sagte er: „Das ist eben nicht zu ändern. Vielleicht
wird der Eintrag wieder gestrichen; wenn Frau Becker merkt, dass es nicht noch
einmal vorkommt?“
    Frau Rose überlegte noch länger, schließlich sagte sie:
„Wenn du mir versprichst, dass es wirklich nie mehr vorkommen wird, schreibe
ich dir einen Entschuldigungszettel."
    „Na schön“, sagte Christoph.
    Bevor Christoph einschlief, holte er noch schnell das
Kästchen aus der Hosentasche und sah vorsichtig hinein. Strups lag
zusammengekringelt da und schlief. Christoph legte das Kästchen unter sein
Kopfkissen und schlief ein. Er hatte keine Angst vor dem nächsten Tag. Er war
neugierig auf ihn.
    Was hat sie eigentlich auf den Entschuldigungszettel
geschrieben? dachte Christoph am Donnerstagmorgen. Es war noch sehr zeitig,
deshalb setzte er sich am Schillerplatz auf eine Bank und nahm den Ranzen ab.
Der Entschuldigungszettel steckte in seiner Federtasche. Er faltete ihn
auseinander und entzifferte mühsam Mutters Krakelschrift.
    „Ich bitte das Fehlen meines Sohnes zu entschuldigen",
stand da, „er fühlte sich nicht wohl und hatte etwas Fieber. Hochachtungsvoll
Gisela Rose."
    Ach du Schreck, dachte Christoph. Gut, dass ich nachgesehen
habe. Natürlich ist es nicht meine Lüge, sondern Muttis. Aber ich müsste
schließlich, ohne es zu wollen, noch mitlügen ... oje, oje, die Erwachsenen
sind seltsam! Was nun?
    Er zog das Kästchen aus der Hosentasche und sah hinein.
Strups rieb sich schläfrig die Augen. „Zerreißen natürlich!", brummte er
und gähnte. „Du brauchst mich doch nicht wegen jeder kleinen Frage zu stören.
Hast doch selbst einen Kopf.“
    „Ja", sagte Christoph. „Du hast es gut, Strups.
Könntest ruhig mal mit mir tauschen."
    „Das geht leider nicht“, sagte Strups, gähnte noch einmal
und schlief weiter. Christoph steckte das Kästchen fort. Dann zerriss er den
Entschuldigungszettel in viele winzige Schnipsel, die warf er in den
Papierkorb. Ich werde sagen, dachte er, dass ich keinen Entschuldigungszettel
habe, weil ich unentschuldigt gefehlt habe. Wenn sie nur nicht auch so fragt
wie Mutti: Was hast du dir dabei gedacht?
    ALS SIEBENTES: EIN MANN, DER IRGENDWOHIN FUHR
    „Was hast du dir dabei gedacht?", fragte Frau Becker.
    Christoph sah missmutig aus dem Fenster. Noch gestern hätte
er geantwortet: Nichts. Aber er wusste: Man denkt immer irgend etwas. Da durfte
er nicht sagen: Nichts. „Ich warte auf deine Antwort!", rief Frau Becker.
    „Ich kann Ihnen doch unmöglich erzählen, was ich gestern den
ganzen Vormittag über gedacht habe", sagte Christoph, „das weiß ich ja gar
nicht mehr alles.“
    „Setz dich"; sagte Frau Becker, „leider muss Ich dir
nun einen Tadel ins Klassenbuch einschreiben. Wegen unentschuldigten Fehlens,
vor allem aber wegen frecher Antworten."
    Christoph setzte sich
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