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Der fingerkleine Kobold

Der fingerkleine Kobold

Titel: Der fingerkleine Kobold
Autoren: EDITION digital Verlag
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sind
natürlich etwas sehr Schönes ...“
    „Das Schönste, was es gibt!", rief Christoph dazwischen.
    „Na gut", sagte Strups, „meinetwegen, aber trotzdem musst
du doch auch was anderes lernen, oder?”
    Christoph nickte widerwillig.
    »Aha", sagte Strups zufrieden, „Also musst du
aufpassen, was deine Lehrerin erzählt. Und dann wirst du auch alles verstehen
und gute Zensuren haben. Dumm bist du schließlich nicht."
    Christoph schüttelte den Kopf. „Dann müsste ich mich ja
wieder langweilen", sagte er.
    „Nein, nein", rief Strups erschrocken, „das darfst du
auf gar keinen Fall, denn an Langeweile kann man sterben!"
    „Siehst du", sagte Christoph, „dacht ich’s mir
doch."
    Aber da wurde Strups böse. „Dacht ich's mir doch!",
äffte er Christoph nach. „Gar nichts dachtest du. Wenn man etwas lernen will,
macht man sich’s eben interessant, und schon ist’s nicht mehr langweilig."
    „Das geht bei mir nicht", sagte Christoph, „bei mir ist
das anders."
    Strups schüttelte den Kopf, dass seine struppigen Haare
anzusehen waren wie eine Wiese unterm Sturmwind. „Einbildung, alles
Einbildung", schrie er, „statt mit deinen Gedanken fortzulaufen, solltest du
sie zusammennehmen, meinetwegen eine Schnur darumbinden, damit dir auch kein einziger
davonlaufen kann. Die verwickeltsten Mathematikaufgaben kannst du mit so einem
Gedankenbündel sofort auflösen.“
    „Und die Schnur?", fragte Christoph. „Woher kriegt man die?"
    „Die geb ich dir", sagte Strups.
    Es war eine feine, silberne Schnur, die er aus der Tasche
seines feuerroten Anzugs herauszog. Christoph wickelte sie zusammen und steckte
sie in seine Hosentasche.
    „Wenn es nun aber tatsächlich langweilig ist", fragte
er nachdenklich, „was dann? Das kommt nämlich wirklich auch vor!"
    „Wann denn, so zum Beispiel?", fragte Sirups.
    „Wenn wir eine Geschichte, die zuerst Spaß gemacht hat, zum sechsten
Mal lesen", sagte Christoph. „Darf ich dann die Schnur von meinen Gedanken
wieder abwickeln?"
    Der Kobold dachte nach. „Eigentlich musst du das",
sagte er, „aber es ist gefährlich. Denn wenn du deine Gedanken erst einmal
fortlaufen lässt, kommen sie meistens nicht im richtigen Augenblick zurück, und
schon ist's passiert. Aber weißt du, ich bin ja auch noch da. Du kannst mich
überallhin mitnehmen. Ich kann mich nämlich unsichtbar machen. Nur du wirst
mich sehen, niemand sonst.“
    „Was?", schrie Christoph, sprang von der Bank und
hüpfte vor Freude auf einem Bein im Kreis herum. „Mensch, das poppt ja, Strups,
das ist ganz echt gut, du!" Strups lächelte vor sich hin und wartete, bis
Christoph sich beruhigt hatte. „Ich kann noch viel mehr", sagte er. „Ich
kann mich zum Beispiel auch in jemanden verwandeln, den es wirklich gibt."
    „Ä!", stieß Christoph ungläubig heraus. „Doch,
doch", sagte Strups. „Du siehst mich heute gar nicht zum ersten, sondern
zum dritten Mal."
    „Nein!", rief Christoph erschrocken.
    Strups lächelte und wartete.
    Christoph überlegte.
    „Die alte Frau!", rief er plötzlich.
    Strups nickte.
    Christoph überlegte weiter. Es dauerte lange, schließlich
fragte er: „Der Straßenbahnfahrer?"
    Der Kobold nickte. „Und nun müssen wir wohl zurückfahren'',
sagte er.
    Sie gingen gemeinsam zur Straßenbahn. Christoph trug das
Kästchen in der Hand. Gerade wollte er es in die Hosentasche stecken, da merkte
er, dass es schwerer geworden war. Er sah neben und hinter sich - Strups war
verschwunden. Aha, dachte Christoph, nun liegt er wieder drin.
    Der Straßenbahnfahrer war der gleiche wie am Morgen. Aber seine
Augen waren weniger schwarz und weniger listig. Und er erkannte Christoph
nicht, er sah an ihm vorbei. Christoph wunderte sich darüber kein bisschen.
    ALS SECHSTES: DIESER ENTSCHULDIGUNGSZETTEL
    „Wie war’s in der Schule?", fragte Frau Rose.
    Beinahe hätte Christoph gesagt: Schön. Jeden Tag fragte die
Mutter: Wie war’s in der Schule? Und immer sagte Christoph: Schön. Denn dann
fragte sie nicht weiter. Aber er fand es selten schön. Und er wollte von heute
an nicht mehr lügen. Außerdem, wie sollte er wissen, wie es in der Schule gewesen
war? Er sagte: „Ich weiß nicht."
    Frau Rose wurde ärgerlich. „Was soll das nun wieder
heißen", sagte sie, „das ist doch keine Antwort, wieso weißt du das
nicht?"
    „Weil ich nicht in der Schule war", sagte Christoph.
    „Ach", sagte Frau Rose. Mehr sagte sie vorerst nicht.
Denn so etwas war noch nie vorgekommen, sie musste erst darüber
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