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Der fingerkleine Kobold

Der fingerkleine Kobold

Titel: Der fingerkleine Kobold
Autoren: EDITION digital Verlag
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bedrückt.
    Plötzlich hörte er es aus seiner Hosentasche flüstern:
„Nicht ärgern, Christoph Rose, du bist eben um einen Zentimeter gewachsen!“
    Da setzte er sich ganz aufrecht hin und schielte zu seinen
Mitschülern: Ob die wohl gemerkt hatten, dass er gewachsen war?
    Es sah nicht so aus. Sie schrieben alle sehr eifrig etwas in
ihre Hefte. Erschrocken schlug Christoph sein Heft auf, las die Aufgabe an der
Tafel, schrieb sie ab. Es war eine verzwickte Aufgabe. Jemand war um 8 Uhr 30
Minuten irgendwo angekommen, war aber 50 Minuten mit der Bahn gefahren, nun
galt es zu sagen: Wann war er von zu Hause abgefahren?
    Christoph dachte nach. Es war ihm sehr gleichgültig, wann
dieser,Mann zu Hause abgefahren war. Er hätte, dachte Christoph, eben auf die
Uhr sehen müssen, dann wüsste er es. Ich werde meine Gedanken laufen lassen.
    Plötzlich saß Strups, fingerklein, auf Christophs
Rechenheft. Christoph sah sich erschrocken nach rechts und links um. Aber
niemand nahm, wie es schien, von der Anwesenheit des Männleins etwas wahr. Also
konnte nur Christoph es sehen.
    Strups sah Christoph ernsthaft an und flüsterte: „Du bist
ein Dummkopf, Christoph Rose. Natürlich hätte dieser Mann auf die Uhr sehen
können und sich merken, wann er abfährt. Das ist doch unwichtig. Kann es dir
denn nicht mal passieren, dass du schnell fünfzig Minuten zurückrechnen musst?
Bitte schön, was tust du dann? Nimm doch die Schnur!"
    Rasch zog Christoph .die Schnur aus der Tasche und band
seine Gedanken damit zusammen. Ganz einfach, dachte er, ich muss von einer
vollen Stunde noch zwanzig Minuten abziehen, bleiben vierzig, also sieben Uhr
vierzig. Er schrieb es auf, meldete sich.
    Frau Becker sagte erstaunt: „Nanu Christoph, was willst du
denn?"
    „Sieben Uhr vierzig", sagte Christoph.
    „Was Ist mit sieben Uhr vierzig?", fragte sie streng.
„Rede doch im Satz, der Antwortsatz gehört auch zum Ergebnis!"
    Christoph war ein wenig enttäuscht. Er hatte nämlich
gedacht, Frau Becker werde Ihn jetzt loben. Eigentlich wollte er gelobt werden.
Denn er mochte Frau Becker ziemlich gut leiden. Trotzdem sagte er den
Antwortsatz nicht.
    „Aber Christoph", sagte Frau Becker freundlich und
aufmunternd, „wenn du die Aufgabe als erster gelöst hast, wirst du doch auch
den Satz sagen können?"
    „Ja", sagte Christoph, „ich könnte es vielleicht, aber
ich will es nicht.“
    „Warum nicht?“, fragte Frau Becker erschrocken.
    „Weil es langweilig ist", erklärte Christoph. „Dieser
Mann ist mir egal, er ist unwichtig, ich habe nur die fünfzig Minuten
zurückgerechnet."
    „Setz dich“, sagte Frau Becker ärgerlich. „Wenn du so
weitermachst, Christoph, wirst du dir deine Betragensnote verderben."
    Christoph setzte sich. „Bin ich schon wieder einen
Zentimeter gewachsen?", flüsterte er.
    Strups hockte auf dem Bankende und baumelte mit den Beinen.
    „Ja", sagte er, „aber rückwärts.“
    „Wieso?", fragte Christoph enttäuscht.
    „Ja, siehst du, mein Lieber“, sagte Strups, „jetzt warst du
doch bloß frech! Der Antwortsatz gehört tatsächlich zur Aufgabe. Wenn dich das
langweilt, hast du selber schuld. Wieso ist dir dieser Mann gleichgültig? Warum
stellst du dir nicht lieber vor, wie er aussieht, wohin er gefahren sein
könnte, was er dort tun will?“
    „Ja", sagte Christoph erstaunt, „das ist gut. Sind alle
Matheaufgaben so?"
    „Alle nicht", sagte Strups, „aber viele. Du kannst dir
sogar Märchen zu ihnen ausdenken, wenn du willst."
    „Hach", schrie Christoph laut, „das fetzt ein!
    Alle Kinder drehten sich zu ihm um und lachten.
    Frau Becker lachte nicht. „Christoph Rose stört absichtlich
den Unterricht", sagte sie und schrieb dabei im Klassenbuch. Christoph war
sehr erschrocken. „Nein, nein", sagte er leise, „doch nicht absichtlich,
Frau Becker, das kam nur weil ..."
    „Nun?", fragte Frau Becker.
    Aber Christoph schwieg.
    „Willst du es uns nun erzählen oder nicht?", fragte
Frau Becker.
    „Nein", sagte Christoph, „das darf ich leider
nicht."
    Frau Becker zuckte mit den Schultern und schrieb den Tadel
zu Ende ein.
    Christoph zuckte auch mit den Schultern und machte sich an
die nächste Mathematikaufgabe.
    Sie hatten an diesem Tag noch Deutsch, Heimatkunde und
Zeichnen. Christoph strengte sich überall sehr an, und er wunderte sich selbst,
wie gut er mit seinen zusammengebündelten Gedanken auf alle Fragen die
richtigen Antworten fand.
    Beim Mittagessen sagte Frau Becker zu Ihm: „Christoph, du
hast
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