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Der Feuergott der Marranen

Der Feuergott der Marranen

Titel: Der Feuergott der Marranen
Autoren: Alexander Wolkow
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nicht schlafen legen und auch
das Wasser nicht anrühren, das die Aufseher mitbringen würden.
Dem Scheuch und dem Holzfäller brauchte Kaggi-Karr das nicht zu sagen, denn die
beiden hatten niemals das Bedürfnis, zu schlafen, zu essen oder zu trinken.
In der Nacht löste der Scheuch gewöhnlich arithmetische Aufgaben. Er hatte es darin so
weit gebracht, daß er im Kopf eine beliebige dreistellige Zahl mit einer anderen
multiplizieren konnte. Allerdings waren jetzt seine geistigen Fähigkeiten geschwächt,
da man ihm schon lange das Gehirn nicht gewaschen hatte. Der Holzfäller wiederum
dichtete jede Nacht rührende Briefe an Elli. Da er aber nicht schreiben konnte, blieben
die Briefe unabgesandt.
Tim begann die Befreiung der Gefangenen vorzubereiten. Vor allem mußte das Wasser,
das die Wachen tranken, gegen Schlafwasser vertauscht werden. In einer verlassenen
Farm fand Tim einen Krug, der genau so aussah wie der, den die Wachen benutzten. Es
gelang dem Jungen, sich unbemerkt in die Wachstube zu schleichen und die Krüge zu
vertauschen.
Nach einem kräftigen Abendessen pflegten die Marranen immer viel zu trinken. Das
taten auch die Wachsoldaten. Ein jeder nahm ein paar tüchtige Züge aus dem Krug,
worauf ihnen die Köpfe schwer wurden und sie in einen todesähnlichen Schlaf fielen.
„Vor denen haben wir eine Weile Ruhe!” frohlockte Tim, der die Szene durch das
kleine Fenster beobachtet hatte. „Jetzt darf ich mich wieder sichtbar machen.”
Er schob den Riegel an der Außenseite der Gefängnistür zurück und trat in das Gelaß.
„Freunde, ihr seid frei, folgt mir!” rief Tim.
Der Holzfäller lief auf ihn zu und schloß ihn in seine eisernen Arme. Wäre das früher
geschehen, als der Herrscher der Zwinkerer noch bei voller Kraft war, hätte der Junge
diese Umarmung kaum überstanden. Jetzt kam er lediglich mit ein paar Quetschungen
und blauen Flecken davon.
Die Befreiten folgten Tim zu dem Häuschen, das glücklicherweise in der Nähe lag. Der
Eiserne Holzfäller trug den Scheuch auf der linken Schulter: In der rechten Hand hielt er
eine schwere Keule, die er einem schlafenden Aufseher abgenommen hatte. Din Gior
machte weit ausholend Schritte und streichelte seinen ‘prächtigen Bart, Faramant
trippelte keuchend hinter ihm her.
Die Aufseher erwachten schon am frühen Morgen, weil das Zauberwasser, das sie
getrunken hatten, bereits drei Tage alt war, weshalb es nicht so lange wirken konnte wie
frisches.
Zu ihrem Entsetzen gewahrten die Marranen, daß die Gefangenen geflohen waren.
Aus Angst vor der Strafe, die Urfin ihnen für den Fall eines Ausbruchs der Gefangenen
angedroht hatte, flohen die Wachsoldaten in ihre Heimat.
Das Merkwürdigste an dieser Geschichte aber war, daß diese Marranen nach ihrer
Heimkehr kein Verlangen nach dem Nuch-Nuch-Getränk verspürten, das sie früher
nicht entbehren konnten. Das Schlafwasser hatte sie von der Trunksucht geheilt. Sie
hatten jetzt weder Schwindelanfälle noch sahen sie Gespenster, waren wieder guter
Stimmung und schliefen nachts wie alle anderen Menschen.
Die Heilkraft des Schlafwassers sprach sich bald im ganzen Zauberland herum, und
leidenschaftliche Nuch-NuchTrinker zogen jetzt in Scharen zur Höhle, um sich von der
verderblichen Angewohnheit zu heilen.
Die Maultiere erwarteten, energiegeladen, Tim und die befreiten Gefangenen vor dem
Häuschen, in dem Ann, Arto und Kaggi-Karr sich verbargen. Man beschloß, sofort
weiterzuziehen. Tim nahm den Scheuch, Ann Faramant in den Sattel. Der langbeinige
Din Gior, der ein guter Geher war, blieb hinter den anderen nicht zurück, ebensowenig
wie der Eiserne Holzfäller, der, nebenbei gesagt, so schwer war, daß ihn weder ein
lebendes noch ein mechanisches Maultier hätte tragen können.
Der silberne Reif ruhte wieder auf Anns Köpfchen. Sie konnte ihn jetzt allerdings nicht
benutzen, um sich und ihre Gefährten unsichtbar zu machen, denn die Schar war
mittlerweile recht groß geworden. Unsere Freunde verließen sich also auf ihren
glücklichen Stern und zogen beherzt nach Südost, wo das Land der Zwinkerer lag, in
dem sie der Tapfere Löwe und Lestar erwarteten. Dort würden sie es mit Urfin
aufnehmen können, falls er sich erdreisten sollte, ihnen ins Gehege zu kommen.
Am Morgen hatten die Reisenden bereits ein gutes Stück Weges hinter sich gebracht,
und da sie müde waren, beschlossen sie, im Walde Rast zu machen. Erst jetzt hatten der
Scheuch und der Eiserne Holzfäller die
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