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Der Feuergott der Marranen

Der Feuergott der Marranen

Titel: Der Feuergott der Marranen
Autoren: Alexander Wolkow
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in Jubelrufe ausbrach.
Das geschah jedoch nicht. Bei den Festgelagen bekam er immer dieselben Loblieder
der wenigen Speichellecker zu hören, deren Anführer der Oberste
Zeremonienmeister Kabr Gwin und der fette Oberpriester Krag waren. Auf die
Straße aber wagte sich Urfin nicht mehr seit dem Tage, da ein von einem Dach
fliegender Stein ihn beinahe erschlagen hätte. Urfin hegte den Verdacht, daß dieser
Stein aus der Schleuder eines Marranen gekommen war.
Und die Macht? Wo blieb die Macht?
Aus dem Blauen Lande, zu dessen Eroberung er das Eliteregiment des Obersten
Chart ausgeschickt hatte, trafen versprengte Soldaten ein, ausgezehrte und
abgerissene Gestalten, die dem König das Bild einer so schrecklichen Niederlage
schilderten, daß er mehrere Nächte kein Auge schließen konnte und bei jedem
Geräusch aufsprang und zum Fenster stürzte, um sich zu vergewissern, daß Ruscheros Drachen nicht die Stadt angriffen.
Die geflüchteten Soldaten untergruben mit ihren Schauergeschichten den
Kampfgeist des Militärs, und Urfin beeilte
sich, sie fortzuschicken, weil sie, wie er sagte, nicht würdig seien, ihm zu dienen.
Nicht viel besser waren die Nachrichten, die aus dem Land der Zwinkerer im Osten
kamen. Besorgt wegen des Ausbleibens jeder Meldung von Hauptmann Bois,
schickte Urfin einen hölzernen Boten zu ihm. Dieser Bote, Veres, erzählte bei seiner
Rückkehr, daß die Zwinkerer kurz nach dem Abzug der Truppe den Hauptmann und
dessen Soldaten gefangengenommen und eingesperrt hatten. Übrigens, fügte der Bote
hinzu, habe er gesehen, daß man mit den Gefangenen milde umgehe, ihnen drei
Mahlzeiten täglich gebe und sie sogar spazierenführe.
Der Scheuch und seine Freunde, fuhr Veres fort, seien aus dem Gefängnis geflohen und
im Violetten Land eingetroffen. Dort befänden sich jetzt auch Menschen von der
anderen Seite der Berge: ein Mädchen, das die Zwinkerer Fee des künftigen Sieges
nannten, und ein Knabe, der jeden Einwohner des Zauberlandes um einen Kopf
überrage. Die beiden seien rittlings auf Tieren angekommen, die, wie es heißt,
Sonnenstrahlen fressen.
Der Bericht versetzte Urfin in schreckliche Wut. Er gebot Veres, niemandem zu
verraten, was er im Lande der Zwinkerer gesehen habe, und setzte ihn sicherheitshalber
hinter Schloß und Riegel.
Trübe Gedanken bemächtigten sich des Feuergottes. Nicht nur der Westen und der
Osten waren für ihn verloren - auch im Smaragdenland selbst standen die Dinge bei
weitem nicht zum besten. Freilich wagten es die Bewohner nicht, gegen ihn
aufzubegehren. Von der Insel vertrieben, hatten sie sich auf den paar Farmen, die die
Marranen ihnen gelassen hatten, leidlich eingerichtet, und führten jetzt ein jämmerliches
Leben. Von ihnen drohte keine Gefahr.
Urfin machte jedoch die Armee Sorge, seine einzige Stütze, die jetzt zu wanken begann.
Das wußte er von Eot Ling, dem Kundschafter, der ihm selbstlos ergeben war. Der
Holzclown, der Tag und Nacht herumspionierte und sich nichts entgehen ließ, berichtete
seinem Herrn und Gebieter folgendes:
In der Armee gäre es. Die unbeständigen Marranen haben den Militärdienst satt. Sie
drücken sich vor den Waffenübungen und dem Wachdienst, manche seien desertiert.
Einige Soldaten haben Farmerstöchter geheiratet und erklärt, sie verlassen die
Armee, um sich friedlicher Arbeit zuzuwenden. Viele Marranen beneideten sie
deshalb und wollten ihrem Beispiel folgen.
Urfin war sehr besorgt, daß seine Soldaten der Trunksucht verfielen. Er wollte, daß
das Nuch-Nuch-Getränk nur an diejenigen ausgegeben werde, die nachts Wach- oder
Kundschafterdienst versahen. Wenn zu viele Soldaten der Trunksucht verfielen,
würde es bald keine Nuch-Nuch-Nüsse mehr im Walde geben. Das konnte
schreckliche Folgen haben. (Urfin wußte nicht, daß diese üble Angewohnheit durch das
Schlafwasser geheilt werden konnte.)
Mit seinem scharfen Verstand begriff er natürlich, was die Ursache der Zersetzung war,
die in der Armee um sich griff. Disziplin läßt sich leicht aufrechterhalten, wenn die
Soldaten ständig unter der Aufsicht der Vorgesetzten stehen, solange sie von früh bis
spät gedrillt werden, haben sie keine Zeit, sich mit schädlichen Gedanken abzugeben.
Jetzt aber, da alle ihre Wünsche in Erfüllung gegangen waren, da sie wie Götter in
behaglichen Häusern lebten und sich der Schätze der reichen Kaufleute und
Handwerker der Smaragdeninsel bemächtigt hatten, verspürten die Marranen keine Lust
auf weitere
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