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Der Fetisch-Mörder

Titel: Der Fetisch-Mörder
Autoren: Moss Tara
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spärlichen welken Salat, den der Fotoassistent holen musste. Makedde hätte schwören können, dass der Fotograf eine Focaccia mit Käse und ein Bier verputzt hatte, als er sich für einen Augenblick unbeobachtet wähnte. Gegen fünf war sie fast erlöst. Es fehlten nur noch die Aufnahmen für das letzte Outfit: ein provozierend hoch geschnittener, leuchtend gelber Badeanzug mit Frontreißverschluss – eine Ode an das Jahrzehnt, in dem man mit ›Christy‹ noch Christy Brinkley meinte und nicht Christy Turlington. Wie immer musste gegen Ende hin alles schneller gehen, weil der Auftraggeber darauf drängte, fertig zu werden, um bloß nicht mehr als zwanzig Minuten zu überziehen. Das war nämlich die magische Grenze, ab der den Models die Bezahlung einer Überstunde zustand. Es war erstaunlich, wie viele Shootings exakt neunzehn Minuten nach der vereinbarten Zeit endeten.
    Da Zeit kostbar war, wurde Makedde genötigt, sich direkt am Strand hinter einem Handtuch umzuziehen, das der verlegene Fotoassistent vor ihr hochhielt. Er bemühte sich, woanders hinzusehen. Zehn Jahre Arbeit als Model hatten Makedde von jeglichen romantischen Vorstellungen von Schamgefühl geheilt; sie zog sich schnell aus und wechselte professionell ihr Outfit. Danach hüllte sie sich erneut in ihre dicke Decke und drückte ihre treue Wärmflasche fest gegen ihren Körper, während die anderen nach einem geeigneten Hintergrund für die letzten Aufnahmen suchten. Da sie unter Zeitdruck standen, hatte sie den Drang ihrer Blase seit der Mittagspause ignoriert, doch jetzt konnte sie es nicht mehr aushalten.
    »Ich muss mal kurz verschwinden!«, rief sie, drückte die Knie aneinander und trat von einem Fuß auf den anderen – das international gebräuchliche Zeichen für ›Ich muss mal‹. Der Einzige, der lachte, war Joseph.
    Sie drehte sich um und lief, hinauf in das hohe gelbe Dünengras, erleichtert, dass sie gleich Erlösung finden würde. Die trockenen Grashalme kratzten an ihren Schienbeinen, während sie sich auf der Suche nach einem Plätzchen mit besonders hohem Gras, das ihr wenigstens den Anschein von etwas Intimität bieten würde, von der Gruppe entfernte. Plötzlich stieg ihr ein merkwürdiger Geruch in die Nase, dann bemerkte sie etwas, das halb unter dem hohen Gras verborgen war.
    Ein Schuh?
    Sie sah sich nach den anderen um. Zum Glück waren sie immer noch damit beschäftigt, nach einem guten Platz für die nächsten Aufnahmen zu suchen. Sie bahnte sich einen Weg durch das Gras. Als sie sich der Stelle näherte, riss sie vor Schreck die Augen weit auf. Unwillkürlich öffnete sich ihr Mund zu einem Schrei, den ihre Ohren jedoch nicht hörten.
    Blut schoss ihr in den Kopf und pochte gnadenlos in ihren Schläfen. Nur verschwommen nahm sie Rufe und vom Strand herbeieilende Schritte wahr. Schaurige Bilder drehten sich vor ihren Augen: dunkle Flecke auf bleicher Haut, dunkles, blutverklebtes Haar, menschliches Fleisch in fürchterlichem Zustand – und fehlende Körperteile! Entlang eines nackten Rumpfes klafften lange, rote Wunden und gaben den Blick auf Fleisch und Organe frei, doch am schlimmsten war, dass das dunkle, blutverklebte Haar Teile eines Gesichts freiließ, das ihr nur allzu bekannt vorkam.
    Auf einmal schlangen sich Arme um sie, die sie durch das Gras zogen, weg von dem schrecklichen Gemetzel, weg von dem Gestank, der in ihrer Nase haftete, als hätte sie sich gerade übergeben. Sie versuchte zu sprechen. Zuerst brachte sie keinen Laut heraus. Um sie herum herrschte Chaos. Schließlich hörte sie entsetzt die Worte, die über ihre eigenen Lippen kamen.
    »Oh, mein Gott, Catherine. Oh, mein Gott!«
    Mak registrierte verschwommen eine junge Frau, die mit einer dampfenden Tasse in der Hand neben ihr saß. Am fernen Horizont glimmte der letzte Schein eines tiefroten Sonnenuntergangs und erleuchtete den Himmel wie ein Höllenfeuer. Um sie herum herrschte hektische Aktivität. Stimmengewirr und von Störgeräuschen verzerrte Satzfetzen aus den Polizeifunkgeräten drangen an ihr Ohr. Die uniformierte Frau neben ihr betrachtete sie schweigend. Sie waren ein Stück weit von der Szenerie entfernt. Ein paar Meter weiter war der Fundort der Leiche mit weißem Polizei-Absperrband gesichert. Mehrere Scheinwerfer tauchten die grasbewachsene Düne in helles Licht und verwandelten die zusammengedrängten Gesichter in starre, bleiche Masken. Hände in Latexhandschuhen kritzelten auf Polizeidienstblöcken und erinnerten Makedde an das
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