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Der Fetisch-Mörder

Titel: Der Fetisch-Mörder
Autoren: Moss Tara
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Notizbüchlein ihres Vaters, dessen Einband so offiziell aussah. Sie hatte sich immer gefragt, was für hinterhältige Brutalität es wohl gesehen hatte und was für entsetzliche Taten in ihm aufgezeichnet waren.
    Die scharfe Brise schnitt ihr eisig ins Gesicht, und obwohl sie in mehrere schwere Decken gehüllt war, zitterte sie. Sie blickte sich um und sah Strahlen von Taschenlampen durch die herabsinkende Dunkelheit huschen wie ein Schwarm Glühwürmchen. Sie erkannte den Visagisten, Joseph, der in Begleitung eines uniformierten Polizisten in Richtung Parkplatz verschwand, und weiter unten am Strand sah sie Tony Thomas hitzig mit einem hoch gewachsenen Mann im Anzug diskutieren. Der Mann stand ganz ruhig da und hielt etwas in der Hand, das aussah wie Tonys Kamera. Seine Körperhaltung strahlte Autorität aus, während Tony, der wütend vor ihm herumfuchtelte, noch kleiner wirkte, als er mit seinen einsachtundsechzig ohnehin schon war.
    Tonys Kamera? Was wollen sie denn damit?
    Als die Diskussion beendet schien, sah Mak, wie Tony mit gesenktem Kopf an ihr vorbei zu den Autos auf dem Parkplatz geführt wurde, auf dem hektisches Treiben herrschte. Der Polizeiarzt, der Pathologe, Spezialisten der Spurensicherung, Kriminalbeamte – alle waren vor Ort, begutachteten den Fundort der Leiche und machten mit ihrem jeweils eigenen Blick für jedes Detail ihre Aufzeichnungen und nahmen ihre Messungen vor. Aus der Kamera des Polizeifotografen schossen immer wieder unvermittelt Blitze und zuckten durch die zunehmende Dunkelheit. Jeder Einzelne erledigte seinen Job mit einer vertrauten, unbeirrbaren Professionalität.
    Andere Gesichter, aber dasselbe morbide Geschäft.
    Sie dachte an die Kollegen ihres Vaters. Unter diesen neuen, entsetzlichen Umständen sah sie deren Jobs auf einmal in einem völlig anderen Licht. Streifenpolizisten, Detectives, Pathologen – soweit sie sich zurückerinnern konnte, hatten sie sozusagen zur Familie gehört. Einige waren sogar zu Besuch in das Krankenhaus gekommen, in dem ihre Mutter während ihrer Erkrankung gelegen hatte. Ihr Vater hatte sich geweigert, das Krankenzimmer zu verlassen. Drei Monate hatte sie dort gelegen, und er hatte Nacht für Nacht in einem unbequemen Klappbett neben ihr ausgeharrt.
    »Wie geht es Ihnen?« Eine leise Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Ich bin Constable Karen Mahoney. Ist Ihnen inzwischen ein bisschen warm geworden? Brauchen Sie vielleicht einen Arzt?« Ihre Stimme war sanft und beruhigend, ihr rundes Gesicht verständnisvoll. Makedde fragte sich, wie diese Frau Tag für Tag solch unbeschreibliches Leid sehen und dabei ruhig und gefasst bleiben konnte.
    »Nein, mir geht es so weit gut. Ich brauche keinen Arzt. Ich glaube, ich …« Ihre Stimme versagte für einen Moment. »Haben Sie sie gesehen? Ich meine die Frau?«
    »Ja. Hier, nehmen Sie. Ein bisschen Kaffee wird Ihnen gut tun.« Sie reichte Makedde eine dampfende Tasse. »Sie kennen das Opfer womöglich? Ist das richtig?«
    Catherine.
    Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Eine Leiche. Blutverschmiert, verstümmelt, mausetot. Konnte das wirklich Catherine sein?
    »Ich … Es könnte tatsächlich sein, dass ich sie kenne. Ich bin nicht sicher. Ich glaube, sie war es – Catherine Gerber. Ich wohne bei ihr, aber sie ist bisher nicht aufgetaucht …« Die Worte kamen als zusammenhangloses Gestammel heraus.
    »Schon gut. Ich weiß, wie schwer das für Sie sein muss. Sie haben die Leiche gefunden, nicht wahr?«
    Makedde nickte wie in Zeitlupe.
    »Wir werden Ihnen ein paar Fragen stellen müssen. Und zu einem späteren Zeitpunkt müssen wir Sie vielleicht bitten, das Opfer zu identifizieren. Würden Sie das tun?«
    Wieder nickte Makedde langsam. Nichts und niemand hatte sie auf so etwas vorbereitet. Manchmal hatte sie einen sechsten Sinn, was irgendwelche Ereignisse anging, eine Art Intuition, die sie warnte. Aber diesmal hatte sie nichts gespürt.
    Vielleicht habe ich mich ja geirrt. Vielleicht war es nur dieser Traum …
    Der Traum.
    Im Wachzustand bekam sie die Details nicht mehr zusammen, nur noch Fragmente des furchtbaren Albtraums waren ihr bewusst. Wie einzelne Filmausschnitte aus einem Horrorfilm, die sinnlos und austauschbar frei vor ihrem inneren Auge umherschwirrten. Da war ein Gefühl blanken Entsetzens, es hatte etwas mit dem Verlust von Catherine zu tun, doch es war alles zu abstrakt, um es in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und zu verstehen. Die Trennlinie zwischen Albtraum
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