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Der Feind

Titel: Der Feind
Autoren: Vince Flynn
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der sie hören wollte. Er gab an, dass seine Eltern aus dem Jemen nach Kanada emigriert seien, als er noch ein kleiner Junge war. Scheich Khalil Muhammad hatte dafür gesorgt, dass er nach Saudi-Arabien kam, um eine religiöse Ausbildung zu erhalten – doch bei seiner Ankunft in Mekka wurde er gefesselt, geknebelt und bewusstlos geschlagen. Das Nächste, an das er sich erinnerte, war, dass er von amerikanischen Soldaten aus dem Wagen gezogen wurde.
    Diese Informationen wurden an den kanadischen Security Intelligence Service weitergegeben, der seinerseits Khalil wegen der Entführung des Jungen zu verhören versuchte. Khalil gab sich kämpferisch und schaltete seinen Anwalt und den Moslemischen Rat von Montreal ein. Kanadas Justizminister hatte Angst, als intolerant abgestempelt zu werden, und pfiff den Geheimdienst zurück. Er ordnete an, dass sich der Intelligence Service von Khalil und seiner Moschee fernzuhalten habe. Es kam immer wieder vor, dass irgendwo auf der Welt jemand entführt wurde. Die Tatsache, dass man den Jungen bei einem versuchten Anschlag erwischt hatte, bewies noch nicht, dass Khalil etwas damit zu tun hatte.
    Rapp blieb jedoch misstrauisch. Er setzte Marcus Dumond, seinen besten Hacker, auf den Fall an, der nach nicht einmal sechsunddreißig Stunden alle möglichen Ungereimtheiten in den Bankunterlagen des Mannes aufgespürt hatte. Er wurde von den Wahabis immer noch großzügig mit finanziellen Mitteln ausgestattet, und er hatte außerdem zwei weitere Jungen zur religiösen Schulung nach Saudi-Arabien geschickt. Man hatte bislang nicht feststellen können, ob die beiden tatsächlich in der Schule waren, doch ihre Eltern gaben an, dass sie seit Monaten nichts mehr von ihren Söhnen gehört hatten. Man hatte ihnen gesagt, dass es aufgrund der strengen religiösen Regeln der Schule bis zu einem Jahr dauern konnte, bis ihre Kinder mit ihnen Kontakt aufnahmen. Rapp spürte, dass da etwas faul war, und der Grund dafür war Khalil Muhammad.
    Es mochte wohl größere Verbrecher als ihn geben, aber er trieb sein Unwesen praktisch vor der amerikanischen Haustür. Der Kerl war einfach zu unverfroren. Wer wusste schon, was er als Nächstes versuchen würde, wenn man ihn weiter gewähren ließ? Nein, es war besser, sich hier und jetzt um ihn zu kümmern und damit auch ein Exempel zu statuieren. Direktor Kennedy wollte, dass sie ihn verschwinden ließen, aber Rapp hatte eine noch bessere Idee – und je länger er darüber nachdachte, umso besser gefiel sie ihm.
    Rapp trat ans Fenster und blickte auf den grauen Himmel hinaus. »Also gut«, sagte er, »wir gehen folgendermaßen vor.«

4
    Es war ein kühler, klarer Abend – ideales Wetter für einen Spaziergang, dachte Rapp, und so machte er sich auf den Weg. Er wollte seinen Kreislauf etwas in Schwung bringen. Den Kragen seiner schwarzen Lederjacke hatte er hochgeschlagen, und auf dem Kopf trug er eine abgetragene Montreal-Canadiens-Kappe. Er hatte beides in einem Secondhandladen erstanden, wo er bar bezahlte und im Übrigen froh war, dass es keine Überwachungskameras gab. Die Jacke war perfekt, zumindest wenn man in Betracht zog, wofür er sie brauchte. Sie hatte große viereckige Taschen, in denen man bequem etwaige Waffen unterbringen konnte. Und die Taschen hatten keine Klappen, was recht nützlich war, wenn es darum ging, möglichst schnell eine Waffe zu ziehen. An der linken Schulter war der Saum gerissen, was ihn nicht weiter störte; schließlich hatte er nicht vor, sich im Ritz aufzuhalten. Die Moschee und die Wohnung des Geistlichen lagen in einem heruntergekommenen Viertel der Stadt. Er fand es schade, dass er die Jacke nicht behalten konnte, aber sie würde mit großer Wahrscheinlichkeit Blutflecken abbekommen. Die Sache würde ziemlich blutig werden. Wenn die Mission erledigt war, würde er seine Kleider in einem Müllsack in den St.-Lorenz-Strom werfen.
    Rapp vergrub die Hände in den großen Jackentaschen und hielt das Kinn gesenkt. In der linken Tasche trug er ein taktisches Rip-Cord-Messer und in der rechten eine schallgedämpfte 9-mm-Glock 26. Beide Waffen hatte er im doppelten Boden seiner Flugtasche ins Land geschmuggelt. Nachdem die CIA über eine eigene Firma einen großen Abschnitt des Privatflughafens in Virginia geleast hatte, war es nicht weiter schwer, die Tasche durch die Sicherheitskontrollen zu bekommen, und auch bei der Landung in Kanada musste er nicht befürchten, dass die Tasche geröntgt wurde. Die Pistole war lediglich
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