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Der Feind

Titel: Der Feind
Autoren: Vince Flynn
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Samstagmorgen, der siebte Tag, den das Team nun an dem Fall arbeitete. Sie waren mit Coleman zu viert und kannten Rapp schon fünfzehn Jahre. Jeder wusste genau, wie der andere arbeitete, und sie vertrauten einander blind, was in diesem Geschäft keine Kleinigkeit war.
    Coleman wartete im Hotelzimmer auf ihn, um ihm die aktuelle taktische Situation zu erläutern. Seine drei Partner waren unterwegs, um die Zielperson nicht aus den Augen zu lassen. Der ehemalige Angehörige der SEALs, der Elitetruppe der U.S. Navy, war etwa zwei Zentimeter kleiner als Rapp. Er trug sein blondes Haar normalerweise kurz geschnitten, doch für diesen Auftrag hatte er es wachsen lassen, sodass es über die Ohren und bis zum Hemdkragen reichte. Coleman war von schlankem, athletischem Wuchs, und seine zumeist eher lässige Körperhaltung ließ nicht wirklich erkennen, über welche Kräfte er verfügte. Er war sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst und hatte es nicht mehr nötig, irgendetwas zu beweisen. Coleman hatte alles mitgemacht, was man als Soldat nur mitmachen konnte, und manch schlimme Situation überlebt. Doch so wie alle SEALs zog er es vor, nicht mit seinen Erlebnissen zu prahlen. Man tauschte vielleicht untereinander die eine oder andere Geschichte aus, aber damit hatte es sich auch schon. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft und konnten Angeber nicht ausstehen.
    Rapp stellte seine Tasche auf das eine Bett und blickte auf den Plan hinunter, der auf dem anderen Bett ausgebreitet war.
    »Hier ist das Hotel und hier die Moschee«, erläuterte Coleman und zeigte auf die beiden Punkte, »und da liegt seine Wohnung.«
    Rapp betrachtete den Plan von der Innenstadt Montreals und der umgebenden Bezirke. »Wie lange braucht er von der Moschee bis zur Wohnung?«
    »Im Durchschnitt geht er die Strecke in fünf Minuten und dreiundzwanzig Sekunden. Die schnellste gemessene Zeit war vier Minuten achtzehn Sekunden. Er hatte es eilig, weil er spät dran war für sein Gebet. Die langsamste Zeit war etwas über zehn Minuten – aber da ist er unterwegs stehen geblieben, um mit jemandem zu reden.«
    »Irgendwelche Anzeichen, dass er von Polizei oder Geheimdienst überwacht wird?«
    »Nichts.«
    Rapp runzelte nachdenklich die Stirn. »Das ist merkwürdig.«
    »Das dachte ich zuerst auch, aber dann kam ich zur Überzeugung, dass sie wohl jemanden drinnen haben.«
    »Einen Glaubensbruder?«
    »Ja.« Coleman zeigte auf ein Foto, das seine Leute von der Moschee angefertigt hatten. »Wir haben das eine oder andere aufgeschnappt, was dort geredet wird. Nicht alle sind mit seiner radikalen Auslegung des Korans einverstanden.«
    Rapp hob überrascht eine Augenbraue. »Ihr habt die Moschee verwanzt?«
    »Nein, wir haben die Gläubigen mit Richtmikrofonen belauscht. Ein paar Ältere sind offenbar der Ansicht, dass Khalil ein Krebsgeschwür in ihrer Gemeinschaft sei und dass er einen schlechten Einfluss auf die Jungen ausübe. Es gefällt ihnen gar nicht, dass er die jungen Leute mit seinem Geschwätz von Dschihad und Märtyrertod manipuliert.«
    Was er da hörte, überraschte Rapp nicht wirklich. Die überwältigende Mehrheit der Moslems war nicht damit einverstanden, was diese Terroristen im Namen Allahs anrichteten. Rapp hätte sich nur gewünscht, dass sie ihrer Meinung etwas deutlicher Ausdruck verleihen würden.
    »Sonst noch was?«
    »Ja. Der Mann ist ein scheinheiliger alter Mistkerl. Wir haben uns gestern während der Nachmittagspredigt in seiner Wohnung umgesehen. Das Haus ist zu der Zeit praktisch leer, also sind wir kein großes Risiko eingegangen. Wir haben uns seinen Computer etwas näher angesehen.« Coleman zog einen Speicherstick aus der Tasche hervor. »Wir haben seine Festplatte für dich kopiert.«
    Rapp nahm den Speicherstick lächelnd entgegen. »Danke.«
    »Da ist jede Menge Pornozeug drauf.«
    »Das ist ein Scherz?«
    »Überhaupt nicht. So richtig perverser Kram. Fesselungsspiele und so was.«
    »Bei diesen Mistkerlen weiß man wirklich nie, was?«, sagte Rapp staunend.
    »Stimmt, aber ungewöhnlich ist es nicht.«
    »Da kannst du recht haben. Sie laufen alle vor irgendwas weg. Sonst noch was?«
    »Am besten erwischen kann man ihn wohl irgendwo zwischen der Moschee und der Wohnung. Er ist fünfmal am Tag auf der Strecke unterwegs – vor Sonnenaufgang, kurz nach Mittag, am späten Nachmittag, kurz nach Sonnenuntergang und schließlich mein Favorit … um zehn Uhr abends.«
    »Warum nicht früh am Morgen?«
    »Das ginge auch«,
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