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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman
Autoren: Almudena Grandes
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Macario. Ich mache mir gleich in die Hose.«
    »Verdammt nochmal. Wenn man auch ständig Wasser trinkt!«
    »Was soll ich machen? Der Arzt will es so.« Er war ein junger, sympathischer Mann der Guardia Civil, und man sah seinem beklommenen Gesicht an, dass seine Not nicht gespielt war. »Ich muss wegen meiner Nierensteine so viel trinken.«
    »Ach ja? Am liebsten würde ich dir einen davon an den Kopf werfen.« Macario dagegen war etwa so alt wie der Leutnant in Fuensanta, kahl und dickbäuchig, dabei trug er nicht einmal die Abzeichen eines Gefreiten. »Dann sag mir, wie wir das anstellen sollen. Es sei denn, du nimmst ihn mit aufs …«
    »Was? Niemals. Das fehlte noch, dass ich dem Kerl meine Klöten zeige.«
    Macario sah sich um, und sein Blick blieb an mir hängen.
    »Ich kann dich nicht ablösen«, erklärte er seinem Kollegen. »Du kennst ja die Vorschriften, höchstens … Wenn du wirklich nicht mehr anhalten kannst und es dem Jungen nichts ausmacht …«
    »Warum sollte es ihm etwas ausmachen?« Mutter sah mich lächelnd an, und ich verstand weder ihre Worte noch ihr Lächeln. »Nachdem Sie so freundlich zu uns waren. Na los, Nino, mach schon …«
    »Was denn?«, fragte ich, doch sie schubste mich vor, ohne ein Wort zu sagen, und ehe ich mich versah, hatte der ältere Guardia-Civil-Beamte seinem Kollegen die Handschellen abgenommen und mich an den Mann gefesselt, der so zitterte.
    »Ich dürfte das eigentlich nicht, wissen Sie«, sagte Macario zu meiner Mutter, und ich begann so heftig zu schwitzen wie noch nie zuvor. »Aber, wenn der so dringend muss …«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Sie brauchen uns nichts zu erklären.« Mutter lächelte immer noch, und ich schwitzte, ich hörte den Gefangenen atmen und schwitzte, ich spürte die Berührung seiner Hand, seines Hemdsärmels und schwitzte. Ich hatte das Gefühl, seinen Herzschlag hören zu können, und schwitzte, als würde ich von innen her austrocknen. »Mein Sohn ist in einer Kaserne aufgewachsen und hat nie etwas anderes gekannt.«
    »Das sieht man, ja wirklich, er ist so gut erzogen und gehorsam … das härtet einen ab, was?« Erst jetzt sprach Macario mich an. »Du willst doch später bestimmt mal zur Guardia Civil wie dein Vater, nicht wahr?«
    Wenn ich groß bin, gehe ich zur Guardia Civil, sagte Paquito immer, Romeros Sohn. Stell dir nur vor, alles ist umsonst, du brauchst im Zug nicht zu bezahlen, du kannst ins Kino, ohne eine Eintrittskarte zu kaufen, ja sogar ins Fußballstadion. Was meinst du? Und beim Stierkampf sitzt du wie die hohen Tiere auf der Tribüne, ohne einen Céntimo zu zahlen … Ich jedenfalls werde zur Guardia Civil gehen, und er nickte so selbstsicher, als trüge er den Dreispitz bereits auf dem Kopf. Dann kann ich meiner Frau hin und wieder Kartoffeln bringen oder ein paar Melonen, die die Nachbarn vor der Tür der Kaserne stellen, damit sie sich genauso freut wie meine Mutter. Und auf der Kirmes muss ich kein Geld ausgeben, weil meine Kinder überall umsonst fahren und ich zum Essen und Trinken eingeladen werde. So lässt sich eine Menge sparen, sagt mein Vater immer …
    »Ich weiß noch nicht, was ich später werden will«, erwiderte ich Macario an diesem Tag und merkte, dass etwas an der Art, wie ich es sagte, vielleicht der Tonfall oder die Lautstärke, sehr leise, fast ein Murmeln, den Mann links von mir dazu bewegte, mich anzusehen. Ich wandte den Kopf und blickte ihn an. Er war genauso jung wie der Guardia-Civil-Beamte, der zur Toilette gegangen war, mit dunklen Augen, Adlernase, schmalen, angespannten Lippen, und am Finger der Hand, mit der er an meine gefesselt war, trug er einen Ehering, der funkelte wie neu.
    »Na, du kommst zur Guardia Civil, Mensch!« Macario lachte, sein Gefangener schloss die Augen, blickte dann erneut verstohlen aus dem Fenster, und ich betrachtete das Profil seines Kopfes. Sein Haar war schlammverschmutzt und klebte an seinem Nacken; der Kragen des weißen Hemdes war speckig und grau. »Nirgendwo wirst du es besser haben.«
    Sein Kollege kehrte von der Toilette zurück; einen Augenblick später saß ich wieder zwischen meinen Schwestern, und der Gefangene war erneut an den Mann der Guardia Civil gefesselt, als wäre nichts. Natürlich war etwas geschehen, aber das war jetzt nicht mehr wichtig, denn wir waren in Jaén, wieder zu Hause, und deshalb erzählte ich auch das meinem Vater nicht.
    In Almeria hatte ich herausgefunden, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen, und in
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