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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman
Autoren: Almudena Grandes
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Masa –, um mir zu sagen, vor ihm stünde Cencerros Enkelin, die im selben Büro arbeite wie er. Und ihre Mutter, die seit vielen Jahren in Rivas lebte, wolle sich mit mir treffen.
    Esther erzählte mir viele Dinge und ging anderen für mich auf den Grund, indem sie ihre Mutter und ihre Tante Virtudes befragte. Ihr verdanke ich die Beschreibung von der Bestattung ihres Großvaters und die unglaubliche Geschichte von Carmen la Rosa, die neuneinhalb Jahre in den Gefängnissen von Jaén und Málaga einsaß, weil sie die Wahrheit gesagt hatte: dass der Sohn, den sie erwartete, der ihres Ehemanns war. Ihre Erinnerungen und die ihrer Familie durchziehen den ganzen Roman, einmal in Form der Repressalien, die die Villéns erfuhren, zum anderen in der Beschreibung des Stolzes, den sie nie, nicht einmal in den schlimmsten Momenten, beim Gedenken an Tomás, aufgaben.
    Esther verdanke ich auch das Geschenk eines Buches, das mir sehr nützlich war. Es handelt sich um eine Biographie ihres Großvaters, die der aus Jaén stammende Historiker Luis Miguel Sánchez Tostado im Juni 2010 unter dem Titel Cencerro. Un guerrillero legendario veröffentlichte. Darin entdeckte ich einige Anekdoten, die ich nicht kannte und die mir etwa die unvorstellbare Tatsache eröffneten, dass es in der Sierra Sur einmal verboten gewesen war, La vaca lechera zu singen oder zu pfeifen. Esther erzählte mir, dass die Falangisten, die die Leiche ihres Großvaters zur Schau stellten, es sangen, als sie in Castillo de Locubín einfuhren. Genauso verblüffend ist es, dass dieses Verbot auf das Verhalten einer Gruppe von Widerstandskämpfern zurückging, die in einer erbitterten Auseinandersetzung, die sie sich am 25. Dezember 1946 mit der Guardia Civil in Alcaudete lieferten, unbeirrt La vaca lechera sangen, während sie ihre Gewehre abfeuerten.
    Tostado schlägt eine andere Identität für den Verräter vor, der Cencerro auslieferte. Während mein freundlicher Gastgeber aus Valdepeñas aufgrund der Erinnerungen seiner Nachbarn Pilatos in der Verantwortung sieht, führt der Biograph die Erinnerungen der Dorfbewohner von Castillo de Locubín an, um den Verrat Toribio Baeza Palomino, alias Carambita, zuzuschreiben, von dem er versichert, dass er Verhandlungen auf höchster Ebene mit der Guardia Civil führte und auch mit Marzal Kontakt hatte. Alles habe sich über einen Hauptmann zugetragen, den er durch einen befreundeten Guardia Civil namens Román aus Castilla kennengelernt hatte, bekannt unter dem Spitznamen Tórtolo. Ich entschied mich, beide Versionen in einem mehrfachen Verrat zusammenzuführen, stellvertretend für jene verhängnisvollen Zufälle, bei denen häufig Frauen beteiligt waren und die viele Männer in Gegenden, wo der antifranquistische Widerstand gedieh, das Leben kosteten.
    Carambitas später Tod in diesem Roman hat denselben Ursprung. Ich weiß nicht, wann oder wo Pilatos und er starben. Tostado zufolge hat man im November 1973 einen dreiundsiebzigjährigen Mann ohne Papiere gefunden, aufgehängt an einem Olivenbaum auf dem Friedhof von Almodóvar del Río, einem Dorf in Córdoba, mehr als hundert Kilometer von Torrequebradilla in Jaén entfernt, wo er zu Hause war. Er hieß Antonio Cano Aceituno, war unter dem Spitznamen Enriqueto bekannt und hatte dort sechsundzwanzig Jahre lang halb im verborgenen gelebt, nachdem er 1947 die Guardia Civil zu einem Hof in Noalejo geführt hatte, auf dem sich einige von Cencerros Männern befanden. Somit war er zumindest für den Tod von sieben Menschen verantwortlich, einem Schäfer, der als Verbindungsmann diente, vier Widerstandskämpfern, dem Besitzer des Hofes und seinem Sohn. Dessen Tod war besonders grausam. Die Guardia Civil hatte gar nicht vorgehabt, ihn zu verhaften, doch als der Junge sah, wie sie seinen Vater abführten, bestand er darauf, ihn zu begleiten. Statt seinen Vater damit zu schützen, erreichte er lediglich, dass auch er selbst hinterrücks erschossen wurde, als die Beamten in den Bergen auf beide das Fluchtgesetz anwendeten, nur wenige Stunden nachdem die anfängliche Schießerei zu ihrem Ende gekommen war. Enriqueto hatte jeden Grund, sich zu verstecken, doch irgendwer hatte ihn schließlich gefunden und mit ihm abgerechnet, mehr als zwei Jahrzehnte nachdem die Führung der Kommunistischen Partei Spaniens entschieden hatte, dass der bewaffnete Widerstand nicht mehr als ein schwerwiegender strategischer Irrtum gewesen war.
    Schließlich möchte ich meinen vielen Freunden aus Jaén
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