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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman
Autoren: Almudena Grandes
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dass ich mit den Händen in den Taschen aus dem Haus ging und in der Schule nicht fror. Und das, obwohl Don Eusebio meinte, es wäre höchste Zeit, den einzigen kleinen Ofen anzuwerfen, den wir besaßen. Wie üblich setzte er sich daneben und bemerkte, wir sollten ihn nicht für einen Egoisten halten, egoistisch seien nur seine Knochen, die das nahende Alter erahnten und nicht mehr warm wurden. An jenem Abend freute ich mich zum ersten Mal im Leben, die paradiesische Küche zu verlassen, die Mutter wie sonst kein anderer mit Hilfe des Kamins, der glimmenden Asche im Ofen und des Kohlenbeckens unter dem Tisch zu wärmen gelernt hatte, denn ich hielt meine neue Flasche in den Händen. Sie hatte sie mit einem Trichter gefüllt und mit dem Korken verschlossen, den Vater mit seinem Taschenmesser zurechtgeschnitzt hatte, bis er perfekt passte, und anschließend mit dem Wachs einer brennenden Kerze versiegelt. Als das Wachs weiß und fest geworden war, steckte sie die Flasche in den Bezug, knöpfte ihn zu und reichte sie mir. Fast hätte ich sie fallen lassen, so heiß war sie. Noch ehe ich mich ausgezogen hatte, schob ich sie unter die Decke, und als ich zu ihr kroch, war das ganze Bett warm.
    Trotzdem konnte ich an diesem Abend nicht einschlafen. Vielleicht lag es an den Nerven oder daran, dass meine Füße zum ersten Mal nicht vor Kälte schmerzten, vielleicht war es Schicksal, aber als meine Eltern von dem Tisch mit dem Kohlenbecken aufstanden, war ich noch wach. Ich hörte, wie sie das Licht ausmachten, die Tür schlossen und in ihr Schlafzimmer gingen, das neben unserem Kinderzimmer lag. Die neuen Wände waren dünn und porös wie ein Schwamm und behielten keine Geheimnisse für sich. Ich hörte, wie sich Mutter mit allen Kleidern ins Bett legte und Vater resigniert ihre verwirrenden Anweisungen befolgte, ehe er etwas sagte, das ich nicht hätte hören sollen.
    »Leg dich auf den Rücken, Antonino, damit ich dich … Nein, doch nicht so. Ja, so ist es besser … Hast du ein Glück, mein Lieber! Du bist immer warm wie ein Ofen. Jetzt die Füße … Nein, stell die Beine auf.«
    »Au! Deine Füße sind eiskalt, Mercedes.«
    »Klar! Was glaubst du wohl, warum ich so viel Gymnastik mache? Warte ein bisschen … Gut, jetzt ziehe ich mich aus.«
    »Wurde auch Zeit.«
    »Was erwartest du, Antonino? Ich komme aus Almería, hier friere ich mich zu Tode. Wenn dir das nicht passt, hättest du es dir vorher überlegen sollen.«
    »Und? Kann ich jetzt das Licht ausmachen?«
    »Ja, mach es aus.«
    In der Stille, die folgte, wurde die Matratze weicher, und ich spürte, wie ich darin versank, als wäre mein Körper in lauwarmen rosa Schaum gebettet. Meine geschlossenen Augen kamen nun auch innerlich zur Ruhe, doch noch ehe ich ganz einschlief, sagte mein Vater wieder etwas, und ich hörte zu.
    »Mercedes.« Er klang ganz wach.
    »Was ist?«, antwortete sie schläfrig, mit belegter Zunge.
    »Ich mache mir Sorgen um Nino.« Von da an konnte keiner von uns dreien mehr schlafen.
    »Nino? Warum? Don Eusebio meint, er sei sehr gut in der Schule.«
    »Nein, nein, der Junge ist klug und aufgeweckt, das weiß ich. Aber er wächst so langsam.«
    »Das kommt schon noch.«
    »Vielleicht auch nicht. Und das macht mir Angst. Wenn das so weitergeht, könnte er durch die Musterung fallen. Und dann kann er nicht zur Guardia Civil.«
    »Was redest du da, Antonino? Muss ich dich etwa daran erinnern, dass dein Sohn gerade mal neun ist?«
    »Na und? Vorsicht ist besser als Nachsicht, heißt es. Wenn er als Erwachsener über eins sechzig groß ist, kann er zur Guardia Civil, wenn aber nicht … Ich habe mir deshalb gedacht, es wäre für ihn das Beste, wenn er Schreibmaschine lernt.«
    »Was sagst du da?«
    »Ja, Schreibmaschine, Mercedes, und danach soll er Französisch lernen und die Schule zu Ende machen … Und später, ich weiß nicht, Buchhaltung vielleicht oder etwas Ähnliches. Dann könnte er sich um eine Stelle in der Verwaltung bewerben. Wenn er klein ist, aber klug, wird niemand ihn auslachen, weil er untauglich war, und er wäre besser dran als ich, oder?«
    »Hör mal, Antonino, ich weiß nicht, wer dir diesen Floh ins Ohr gesetzt hat, aber eins will ich dir sagen …«
    »Sag gar nichts, Mercedes. Hör auf mich und rede mir nicht rein.«
    Diese Art kategorisch zu entscheiden, mit der mein Vater jede Diskussion vorzeitig beendete, zwang dem Schlafzimmer eine Stille auf, die noch lange brauchte, um mich zu erobern und ein halbes Dutzend
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