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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling
Autoren: Hans Gruhl
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möchte dich auch
mal zu mir einladen, Bärbel... ich... ich mache auch Unordnung, damit du dich
wie zu Hause fühlst...«
    Sie lachte und küßte ihn nochmals.
    »Mittwoch?«
    »Mittwoch?« Sie machte Stirnfalten.
»Mittwoch. Ja, das wäre zu machen.«
    »Ich — äh —, ich hätte auch Sonnabend
sagen können... aber Mittwoch ist eher, wissen... weiß du...«
    »Mittwoch ist eher.«
    Die Flasche wurde leer. »Ich fahre
wieder mal mit Alkohol im Blut nach Hause«, sagte der Feigling. »Aber unter
eins Komma fünf fahren wir sowieso nie.« An der Tür drehte er sich um.
    »Übrigens — was ich sagen wollte... ich
wollte dich eigentlich schon heute vormittag küssen... an diesem Waldstück, da,
wo wir gehalten haben... ich hab’ mich nicht getraut...«
    »Feiglinge mag ich nicht«, sagte
Barbara.
     
     
     

II
     
    Der Türöffner schnarrte. Barbara fuhr
mit dem Fahrstuhl zum fünften. Stock. Die Tür war schon offen. Barbara fiel
ein, daß sie am Sonntag vergessen hatte, ihn nach seinem Vornamen zu fragen.
Sie las das Schild unter dem Klingelknopf.
    Dr. Jakob Hase.
    Jakob. Es kam aber auch alles zusammen.
    Er stand hinter der Tür mit zwei
Gläsern in der Hand. »Früher trug man die Angebetete über die Schwelle«, sagte
er. »Aber heute...«
    »Aber heute ist man zu gebrechlich.«
    »Ja. Ein Bandscheibenschaden ist was
Scheußliches. Deswegen erlaube ich mir, dir statt Manneskraft einen Whisky
anzubieten. Prost, Stupsnase.«
    Barbara trank aus.
    »Vielleicht darf ich dir gleich einen
Überblick über die Räumlichkeiten geben. Diese erste Tür zur Linken ist die
Klause, stillberühmt im ganzen Hause, und so weiter, Wilhelm Busch. Die nächste
ist die Küche, klein, aber bezahlt. Dann hier hinten... das einzige Zimmer des
Hauses... daneben noch das Schlafkabuff... mehr ist leider... ach, ja, der
Balkon...«
    »Jeu«, rief Barbara. »Eine Ordnung!?
Sagenhaft!«
    Sie ließ sich in den einzigen
Ledersessel fallen. Der Feigling schenkte neuen Whisky ein.
    »Vielleicht sollten wir...«
    Es klingelte hell und bohrend. Jetzt
erst sah Barbara das Telefon auf dem Schreibtisch.
    »Telefon! Fein! Man kann dich
rausklingeln, mitten in der Nacht!«
    »Jemand fängt schon damit an.«
    Er nahm den Hörer ab. Barbara sah, wie
er plötzlich aufhörte, sich zu bewegen, nur zwei Sekunden, aber er stand ganz
reglos. Dann griff er mit der Hand hinter sich, tastete nach dem Sessel, setzte
sich langsam.
    Er hörte die Stimme des Mannes, den er
nicht kannte. »Johann Jakob Josef Jeremias«, sagte der Mann leise. »Bist du
da?«
    »Ja, Meisterchen«, antwortete Jakob.
    »Fein, fein. Sehr fein, Jakob... ich
glaube, der Willy ist krank. Drei Tage schon... ich fürchte, du wirst mal
hingehen müssen.«
    »Ja, Meisterchen«, sagte Jakob.
    »Ich fürchte es. Du hast doch seinen
Schlüssel.«
    »Ja.«
    »Dann geh gleich. Und ruf mich
hinterher an. Ja. Das wär’s dann.«
    Der Feigling wartete.
    »Ach — Jakob... wer ist da bei dir?«
    Der Feigling atmete tief. »Ein
Mädchen.«
    »Hm. Schön. Paß auf, Jakob. Ich meine...
bei Willy.«
    »Ja.«
    Barbara sah ihn den Hörer zurücklegen.
Wieder blieb er einen Augenblick starr sitzen. Dann drehte er sich langsam mit
dem Stuhl herum. Er lächelte, aber es war nicht echt.
    »Ich muß mal schnell weg, Bärbel«,
sagte er.
    Enttäuschung und Ärger breiteten sich
über Barbaras Gesicht wie Schatten. Der Feigling sah es und bekam Furcht. Sie
würde weggehen und vielleicht nicht wiederkommen.
    »Es ist zum Kotzen«, sagte er hastig.
»Ich hoffe, daß du diesen Ausdruck noch nicht gehört hast. Mein Verleger. Der,
der so dusselig ist, meine Meisterwerke zu drucken und auch noch zu bezahlen.
Alle Jubeljahre kommt er mal vorbei, und dann muß alles spritzen und
Verbeugungen machen. Sitzt auf dem Bahnhof und fährt in einer halben Stunde
weiter. Sonst — sonst hätte ich ihm gesagt, er soll hierherkommen. Ich könnte
mich vor Wut in den...«
    »Jakob!«
    Er sah tieftraurig aus.
    »Bärbel — es dauert nicht lange. Er hat
irgendwas für mich. Ich möchte es nicht sausen lassen und ihn verärgern.
Schlechte Schriftsteller gibt es haufenweise. Ich rase hin, lausche seinen
Worten mit Ergebenheit, rase wieder zurück. Zu dir. Ich grinse ihn voller
Hochachtung an und wünsche ihn innerlich in das unterste Geschoß der Hölle. Und
dann lasse ich mir Vorschuß geben und schenke dir eine Goldmünze, so groß wie
ein Tablett, und eine Jahreskarte für den Chinesen mit doppelter Schnapsration
und...«
    Barbara
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