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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling
Autoren: Hans Gruhl
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was. Ganz harmloses Wesen. Was die
Spionage und den Geheimdienst betrifft, meine ich. Sonst scheint sie Härchen
auf den Zähnen zu haben.«
    »Jakob wird’s schon merken. Sie sitzt
bei ihm uff ‘t Bette und spielt Schwitzehändchen.«
    »Na, das wird ihm guttun. Ich hab’ sie
mir von Anfang an betrachtet. Mädchen sind immer gefährlich.«
    »Wer Pech hat, dem explodiert der
eigene Rejenschirm.«
    »Ja. Aber es war nichts mit ihr. Sie
hat mich mal besucht. Ich saß in meiner Burg und sah sie kommen übern Hof. Hab’
ihr einen niedlichen Zauber vorgemacht, hat unheimlichen Spaß gebracht. Sie
ging ziemlich erschüttert weg. Aber alles, was sie sagte, sprach für ihr
unschuldiges Gemüt.«
    Der kleine Fuchs gähnte.
    »Bist du müde?«
    »Ick möchte sagen, ick bin nich’ gerade
Armin Hary vorm Start. War ‘n bißken viel für meine Größe.«
    »Das weiß ich, Füchslein. Ihr habt alle
prima gearbeitet. Unser Einsatz ist zu Ende. Die Pilger sind erledigt. Ihr
Verbindungsmann fehlt jetzt auch, und es ist saumäßig schwer, einen neuen
einzuführen. Wird lange dauern, bis sie sich von der Pleite erholt haben. Ihr
habt euren Ruhestand verdient. Unser Verein wird aufgelöst.«
    »Keene Arbeit mehr?«
    »Keine. Nur in Krisenzeiten, da kann es
sein, daß sie euch wieder unter die unsichtbare Fahne rufen.«
    Der Kleine seufzte in den Hörer. »Muß
an Walter und unseren Kronanwalt denken. Die hätten jerne als Rentner
weiterjesoffen.«
    »Ich weiß. Tut mir auch leid. Aber der
Auftrag war die Hauptsache. Du kannst dich aufs Land zurückziehen. Der Jakob
hat seine Studentin, da hat er genug zu tun.«
    »Studieren.«
    »Ganz stark.«
    Fuchs räusperte sich. »Chef... was wird
‘n aus dem Herrn in meine Kleiderkammer? Mit der Zeit wird er zerloofen?«
    »Das mach’ ich. Wird von der Zentrale
erledigt. Paar unscheinbare Krankenträger werden ihn abholen. Sei nett zu
ihnen.«
    »Ick jeb’ jeden ‘ne Zigarette.«
    »Tu das. Den Alten vermißt niemand...
höchstens ein paar Herren bei einem Pilsner.«
    Die Leitung blieb still für einen
Augenblick.
    »Meister«, sagte der Kleine leise.
»Entschuldige, wenn ick meine Neese in deine Sorjen stecke... was machst du?«
    »Ich kriege auch Ferien, Füchslein.
Aber später werde ich wohl wieder was übernehmen müssen. Hab’s nicht so gut wie
ihr.«
    »Ha’ ick mir jedacht. Führungskräfte
sind knapp.« Er räusperte sich wieder. »Ick wollte nur sachen... vielen Dank
für alles, Chef. Hast dich um uns jekümmert wie’n Pfarrer um seine Jemeinde. Um
mich ooch.«
    »Bin dafür bezahlt worden.«
    »Trotzdem... mancher wird bezahlt und
tut nischt. Es... es war ‘ne dufte Sache, mit dir zu arbeeten... wollt’ ick nur
sachen.«
    »Auch mit euch, Fuchserich. Glaube
nicht, daß ich so eine Mannschaft wieder zusammenkriege.«
    Er schwieg weiter. Der kleine Fuchs
lauschte, es war ein bißchen salzig’in der Kehle, es war Papa, von dem man
Abschied nehmen mußte.
    Der Meister wußte das auch.
    »Kopf hoch, wer noch einen hat,
Kleiner! Laß es dir gutgehen. Mein Anschluß hier funktioniert noch drei Tage.
Dann verschwindet er. Die Zentrale kriegt deine Adresse. Wenn was ist, melden
wir uns. Sollte mich freuen.«
    »Mich auch«, sagte der Fuchs. Dann
hörte er nichts mehr, aber er hielt den Hörer noch lange.
    Der Mann am anderen Ende war allein.
    Er lächelte, als er auflegte. Er sah
aus dem Fenster, hinunter auf den Hof, den er so genau kannte.
    Es war gut, daß Schluß war. Es hatte
Leute gekostet, Kameraden, die nicht zu ersetzen waren. Ihre Funktion, die
vielleicht. Nicht sie selbst.
    Und Nerven. Mehr als alles andere.
    Er schob mit langsamen Bewegungen den
zweiten Apparat in das Fach des Schreibtisches zurück. So oft hatte er
telefoniert damit. Geschäftsgespräche? Parfümhandel?
    Was ging ihn das Parfüm an. Er konnte
das Zeug nicht mehr riechen. Den ganzen Laden konnte er nicht mehr sehen. Er
stand auf. Der Kühlschrank schnurrte leise. Er holte sich zwei Flaschen Bier.
Kognak war noch da.
    Er trank ein halbes Wasserglas voll
Kognak, langsam, behaglich, es tat ihm nichts.
    Er lehnte sich in seinen Sessel zurück
und dachte an das Lokal, an den Frühschoppen, an alles, was er gesehen und
erlebt hatte. Seine Leute. Ihre Reden und Sprüche. Er trank und hatte Sehnsucht
nach ihnen, nach der verwitterten Theke und den Gläsern, die niemals blinkten.
    Zahmeis lächelte vor sich hin.
    Er griff hinter sich in das Regal nach
einem der Bücher. Eine Napoleonbiographie, eine von den
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