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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann
Autoren: Max Bentow
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grauen Kittel, und wie üblich plärrte ein türkisches Programm aus seinem kleinen Fernseher.
    »Alles klar, Chef?«
    Das war die Standardbegrüßung für seine Stammkunden, Trojan hatte sie schon an die tausend Mal gehört.

    »Alles klar. Und bei dir?«
    »Muss, muss.«
    Trojan legte ihm das Geld hin, Cem betätigte die Kasse.
    »Arbeit, weißt du, immer Arbeit.«
    »Nimmst du dir nicht auch mal frei, Cem?«
    »Kann nicht freinehmen, weißt du, Chef, muss arbeiten. Arbeiten ist wichtig. Schau dir meine Söhne an, sitzen immer nur rum, haben dummes Zeug im Kopf, immer Frauen oder neues Handy, und wenn ich sage, sie sollen im Geschäft helfen, schütteln sie bloß den Kopf, ich bin zu gutmütig, Chef, weißt du.«
    Trojan verstaute seine Einkäufe im Rucksack, nickte ihm zu und verließ den Laden.
    Er schob sein Rad am Landwehrkanal entlang, sah eine Zeit lang den Boulespielern zu, dann streckte er sich auf einer Wiese aus und genoss die letzten Sonnenstrahlen. Schließlich war sein Hunger so groß, dass er heimfuhr.
    Im Treppenhaus blieb er kurz vor Doros Tür stehen, zögerte, dann stieg er weiter bis in den vierten Stock hinauf.
    Es war still in seiner Wohnung, zu still. Er warf sich seufzend auf Emilys Bett. Er sollte seine Tochter anrufen, mit ihr ein Treffen ausmachen, beim letzten Mal hatte er sie wegen einer dringenden Festnahme in einem Mordfall versetzen müssen. Er wusste, dass sie das gekränkt hatte, und ihre Mutter war auch nicht gerade begeistert gewesen.
    In der Küche füllte er den Topf mit Wasser, stellte ihn auf den Herd, öffnete das erste Bier und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
    »Kopf hoch, alter Junge«, sprach er zu sich selbst, als er die Spaghettipackung aufriss.

    Dann zündete er die Kerze auf dem Küchentisch an, um ja nicht wieder vorm Fernseher zu essen.
     
    Der Vogel hockte auf dem Teppich. Sie bemerkte die Kotspuren überall. Als sie sich näherte, ruckte er verstört mit dem Kopf, sie sprach leise zu ihm, mehr um sich selbst zu beruhigen. Plötzlich flatterte er wieder auf, es war dieses hektische Flügelschlagen, das sie am meisten ängstigte. Sie eilte zum Fenster und riss es auf.
    Mit dem Handtuch nach ihm schlagend versuchte sie den Vogel ins Freie zu treiben. Der aber prallte gegen die Wand und segelte hinunter auf ihr Bett. Voller Ekel sah sie, wie er seinen Kot auch auf ihr Kissen fallen ließ.
    »Hau ab, hau endlich ab«, zischte sie und fuchtelte mit dem Handtuch in der Luft herum.
    Er flog direkt auf sie zu, sie duckte sich mit einem Aufschrei weg. Er flatterte durchs Zimmer und landete auf der Vorhangstange.
    »Weg, weg«, keuchte sie und holte mit dem Handtuch aus. Und wieder musste sie sein Flügelschlagen ertragen, dieses fächernde, fauchende Geräusch, seine panischen Fluchtversuche, das Sirren über ihrem Kopf.
    Schließlich hockte das Tier auf dem Fensterrahmen.
    »Gut, gut«, flüsterte sie, »da hinaus, da.«
    Sie wedelte mit dem Tuch.
    Der Vogel zuckte mit dem Kopf.
    »Na los doch.«
    Er machte sich ganz klein. Sie trat näher. Wenn er nur nicht wieder in die falsche Richtung floh.
    »Weg.«

    Ein letzter Schlag mit dem Tuch, und endlich entwich er ins Freie.
    Geschafft.
    Coralie schloss hastig das Fenster.
    Sie atmete schwer, stieß unartikulierte Laute aus, als sie mit einem Mal erstarrte.
    Das Fenster war ja bereits geschlossen gewesen, als sie das Zimmer betreten hatte. Wie also sollte der Vogel hereingekommen sein?
    Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich, für einen Moment war sie einer Ohnmacht nah. Sie presste die Augen zu und kämpfte gegen den Schwindel an.
    Dann eilte sie durch ihre Wohnung und überprüfte jeden Fenstergriff.
    Sie schnaufte. Alle Fenster waren verschlossen.
    Ruhig, ruhig, dachte sie, sicherlich gab es eine vernünftige Erklärung. Irgendwo musste der Vogel ja eingedrungen sein. Aber wo?
    Ein Irrtum, sie musste wohl die Nerven verloren haben.
    Doch der Zweifel ließ sie nicht mehr los.
     
    Noch lange stand er unten auf der Straße und schaute zu ihrem Fenster hinauf. Erst als sie die Vorhänge zuzog und ihm den Blick versperrte, wandte er sich zum Gehen.
    Er musste lächeln.
    Ihr irrer Tanz mit dem Vogel hatte ihm gefallen.
    Nur schade, dass er schon vorüber war.
    Aber er könnte sich noch die ganze Nacht daran weiden, die Szene immer wieder vor sein inneres Auge rufen.
    Und alles, was er noch mit ihr vorhatte.

ZWEI
    T rojan saß im Wartezimmer und schaute auf das Bild an der Wand. Da waren Farben, ineinander
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