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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann
Autoren: Max Bentow
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er als Kind aus Plastikteilen zusammengefügt, Spielzeugburg mit Falltür, Zugbrücke und einem Verlies.

    DELIKTE AM MENSCHEN, warnte ein Schild, darunter streckte der Berliner Bär dem Besucher die Zunge heraus.
    Er stemmte die schwere Eingangstür auf, trat ein, nickte dem Wachpolizisten zu und stieg die breite geschwungene Treppe ins Obergeschoss hinauf.
    Ronnie Gerber schwenkte gerade seine Kaffeetasse aus, als Trojan zur Tür hereinkam.
    »Nils, ich fasse es nicht.«
    »Was ist los, Ronnie?«
    »Das Wochenende war eine einzige Katastrophe.«
    »Um Himmels willen, was ist passiert?«
    Ronnie sah ihn erstaunt an.
    »Na, du weißt doch, Hertha hat wieder verloren.«
    Trojan schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. Der kleine, bullige Ronnie wäre wohl auch mit einem Hertha-Schal zur Arbeit gekommen, wenn ihr Chef derlei Sperenzien nicht missbilligt hätte.
    »Kopf hoch, die schaffen das schon.«
    Sie bedienten sich an der Kaffeemaschine. Trojan setzte sich an seinen Schreibtisch und sah die liegengebliebenen Akten durch, als sein Handy läutete.
    Er sah auf das Display und wurde sofort verlegen. Er nahm den Anruf entgegen und wandte sich von Ronnie ab.
    »Hallo?«
    »Guten Morgen, Herr Trojan.«
    Die Stimme am anderen Ende versetzte ihm Stiche, die eigentlich ganz angenehm waren.
    »Guten Morgen.«
    »Es tut mir leid, aber ich muss den Termin für heute Abend leider absagen.«

    »Oh.«
    Trojan spürte, wie ihn Ronnie beobachtete. Sie kannten sich nun schon so lange, dass er sofort wusste, welche Gespräche eher privater Natur waren.
    »Das ist aber schade.«
    »Ja, aber ich muss dringend … Nun, warum soll ich es nicht erzählen, es dreht sich mal wieder um meinen Vater. Er hat im Altersheim für einigen Ärger gesorgt, und ich muss das klären.«
    »Das tut mir leid.«
    »Wenn wir uns in der nächsten Woche um die gleiche Zeit sehen, Herr Trojan, wäre Ihnen das recht?«
    »Um ehrlich zu sein –«
    »Diese Woche ist wirklich schon sehr voll, also wenn es Ihnen nichts ausmachen würde –«
    Trojan begann zu schwitzen. Die Panik der letzten Nacht war noch immer nicht ganz aus seinem Körper gewichen.
    »Gut, in Ordnung«, sagte er leise.
    »Ich danke Ihnen, Herr Trojan.«
    Er drückte auf die rote Taste. Gerber grinste ihn unverhohlen an.
    »’ne neue Flamme, Nils? Komm schon, mir kannst du es doch sagen.«
    Trojan schluckte. Er hatte schon öfter darüber nachgedacht, ob er Ronnie nicht sein kleines Geheimnis verraten sollte. Aber er wusste auch, was es hieß, ein Bulle zu sein. Bullen zeigten keine Schwäche, Bullen waren immer stark. Er war sich zwar sicher, dass Ronnie mit dem Thema sensibel umgehen würde, immerhin waren sie befreundet, aber wenn durch Zufall doch etwas durchsickerte, würde er bei
seinem Chef und den anderen Kollegen als nicht mehr voll belastbar und somit untragbar für die Mordkommission gelten.
    Und das war auch genau der Grund, warum er sich nicht an die Polizeipsychologin im Haus wenden wollte, schließlich tat das niemand in seinem Kommissariat.
    Er konnte sich Ronnie nicht anvertrauen.
    »Nein, nein, nichts von Bedeutung«, murmelte er.
    Er trank von seinem Kaffee und schob zerstreut die Akten hin und her. Dann räusperte er sich und verließ wortlos das Zimmer. In einer entfernten Ecke des Ganges wählte er die Nummer von Jana Michels.
    Wenn sie bereits wieder in einer Therapiesitzung war, würde sie nicht mehr ans Telefon gehen, und er müsste mit dem Anrufbeantworter vorliebnehmen, aber er hatte Glück, sie meldete sich sofort. Er mochte ihre warme, sanfte Stimme und musste sich eingestehen, dass er sich in letzter Zeit immer mehr auf die Gespräche mit ihr freute. Anfangs war er noch verwirrt und eingeschüchtert gewesen, doch allmählich hatte sich sein Panzer gelöst. Er stellte sich ihr Gesicht vor, ihre großen wissenden Augen.
    »Frau Michels, entschuldigen Sie, ich bin es noch einmal, Nils Trojan.«
    Für einen Moment vernahm er bloß ihren Atem, dann lachte sie auf.
    »Herr Trojan, ja? Haben wir nicht eben –«
    »Ja, und genau das ist es ja, ich würde doch gern, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, vielleicht einen anderen Termin wahrnehmen, aber noch in dieser Woche.«
    »Ist es so dringend, Herr Trojan?«

    Er senkte die Stimme, jemand kam den Gang entlang, instinktiv drehte er sich zum Fenster um.
    »Ja, schon«, murmelte er ins Handy.
    Er hörte, wie sie in ihrem Terminkalender blätterte.
    »Wie wäre es denn mit morgen, achtzehn Uhr?«
    Er atmete
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