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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann
Autoren: Max Bentow
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zu, und schon war er zur Tür hinaus.
    Trojan seufzte, tippte weiter, korrigierte, druckte aus, las, strich durch, tippte neu. Um fünf schaute er auf die Uhr und beschloss, dass es für heute reichte. Er unterschrieb den Bericht und legte ihn ins Fach seines Kommissionsleiters.
    Auch die anderen Kollegen waren längst gegangen, es war ein ungewöhnlich ruhiger Tag gewesen.
    Draußen vorm Dienstgebäude überlegte er kurz, ob er nicht allein zum Schleusenkrug fahren sollte, um sich in dem Biergarten dort ein einsames Feierabendgetränk unter den blühenden Kastanien zu gönnen, aber dann kam ihm das doch zu deprimierend vor.
    So schwang er sich auf sein Rad und fuhr heim nach Kreuzberg.

    Coralie stellte ihre Handtasche auf der Kommode ab und zog hinter sich die Wohnungstür zu. Dann atmete sie auf, erleichtert, zufrieden. Es war mal wieder geschafft, auch an diesem Tag hatte sie sich nicht von den Launen ihres Chefs aus der Ruhe bringen lassen.
    Sie zog sich die Jacke aus und hängte sie an den Garderobenhaken, betrachtete sich flüchtig im Spiegel und schüttelte ihr Haar auf.
    Plötzlich hielt sie inne.
    Ihr war, als hätte sie ein eigenartiges Geräusch gehört, etwas wie ein Sirren.
    Sie lauschte.
    Nichts.
    Da war nichts, sie hatte sich wohl getäuscht.
    Sie streifte ihre Schuhe ab, ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Kurzerhand schob sie sich eine Scheibe Käse in den Mund, nicht einmal eine richtige Mittagspause hatte sie sich gönnen können, immer wieder war ihr Chef mit neuen Aufgaben an sie herangetreten, und da sie bisher bloß auf Probe angestellt war, durfte sie ihn nicht enttäuschen. Sie stopfte gleich eine zweite Scheibe Käse hinterher. Dann inspizierte sie, was der Kühlschrank sonst noch alles hergab, Eier, ein paar Tomaten, vielleicht sollte sie sich ein Omelette zubereiten. Eigentlich wollte sie erst duschen, sich den Arbeitstag abspülen, doch vor lauter Hunger war sie schon ganz zittrig.
    Sie nahm die Eier aus dem Kühlschrank, als sie es wieder hörte, ein merkwürdiges Rascheln.
    Es schien aus ihrem Schlafzimmer zu kommen.
    Sie hielt den Atem an und horchte gespannt.

    Nun war es wieder still.
    Eigentlich war sie kein ängstlicher Mensch. Als sie aber kurz darauf erneut dieses Geräusch hörte, spürte sie, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten.
    Da war etwas in ihrer Wohnung.
    Langsam ging sie durch den Flur. Die Schlafzimmertür war angelehnt. Coralie runzelte die Stirn. Am Morgen war sie doch noch offen gewesen, aber vielleicht täuschte sie sich ja auch.
    Sie holte tief Luft. Dann stieß sie die Tür auf und trat rasch ein.
    Augenblicklich fuhr ihr etwas an den Kopf. Etwas Weiches, Lebendiges.
    Sie riss die Hände hoch und taumelte zurück. Da traf es sie im Gesicht.
    Sie schrie auf und krümmte sich zusammen.
    Erst als sie wieder halbwegs bei Sinnen war, sah sie den kleinen roten Vogel durch das Zimmer sausen. Er schlug oben an die Decke, dann an die Wand, bis er sich im Vorhang verfing. Dort krallte er sich fest.
    Sie schrie noch einmal, schrill, voller Entsetzen. Der Vogel flatterte weiter.
    Wieder schrie sie.
    Flügelschlagend irrte das Tier durch das Zimmer. Coralie wankte in den Flur hinaus und schlug hinter sich die Tür zu.
    Sie schüttelte sich, zitterte.
    Nur ganz allmählich konnte sie sich wieder beruhigen.
    Es war doch nur ein Vogel. Noch einmal musste sie sich schütteln. Er hatte sie im Gesicht berührt.

    Ruhig, dachte sie, ganz ruhig, sicherlich war er zum Fenster hereingekommen.
    Aber hatte sie nicht das Fenster geschlossen, kurz bevor sie zur Arbeit gegangen war? Das tat sie doch immer.
    Hinter der Tür flatterte es, heftig, wild, wie irr.
    Sie musste da wieder rein, sich ein Herz fassen und das Tier verjagen.
    Lange Zeit stand sie einfach da, zu keiner Regung fähig.
    Schließlich gab sie sich einen Ruck und holte aus der Küche ein Handtuch.
    Wie eine Waffe hielt sie es vor sich ausgestreckt, als sie sich langsam wieder der Schlafzimmertür näherte.
    Bloß ein Vogel, dachte sie, ein kleiner Vogel mit rotem Gefieder auf dem Bauch.
    So einen hatte sie in ihrer Straße noch nie gesehen.
    Ihr Atem stockte.
    Es waren nur noch zwei Schritte bis zur Tür.
     
    Obwohl es noch früh genug war, im Supermarkt einzukaufen, ging Trojan aus alter Gewohnheit in den Spätverkauf an der Ecke Forsterstraße, schnappte sich eine Packung Spaghetti, eine Dose passierte Tomaten und klemmte sich drei Flaschen Bier unter die Arme.
    An der Kasse hockte wie immer Cem in seinem
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