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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann
Autoren: Max Bentow
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gäbe.
    »Wann hattest du das letzte Mal Urlaub, Jana?«
    »Ich weiß nicht.«

    »Wohin würdest du gerne verreisen?«
    Sie kämpfte noch immer mit den Tränen, wischte sie mit einem Zipfel ihres Nachthemds weg und sah ihn schweigend an.
    »Ich bin lange Zeit nicht verreist«, sagte er. »Hatte keine Lust, allein wegzufahren.«
    »Du hast mir in einer Sitzung von deiner Reise mit Emily erzählt. Du hast mir den Ort, an dem ihr wart, genau beschrieben.«
    »Ja, das war schön.«
    »In allen Einzelheiten hast du es mir erzählt. Und du hast mir deine Tochter beschrieben. Ich sah euch beide vor mir, ganz deutlich.«
    Sie versuchte zu lächeln.
    »Du hast mir sehr geholfen, Jana.«
    »Du bist immer noch mein Patient, Nils.«
    »Nein, das bin ich nicht mehr.«
    Wieder versuchte sie zu lächeln, doch dabei verzerrte sich ihr Gesicht, und mit erstickter Stimme begann sie: »Er hat – er ist –«
    Sie brach ab.
    Trojan schluckte.
    »Wir haben ihn«, sagte er. »Wir haben den Kerl. Er wird nie wieder irgendjemandem etwas antun können.«
    »Ist er tot?«
    Trojan nickte kaum merklich.
    Es dauerte lange, bis sie weitersprechen konnte.
    »Er war im Nebenzimmer, wenn du in meine Sprechstunde kamst. Er war immer da.«
    Trojan schloss die Augen. Er wollte es sich nicht vorstellen.
Brotter, scheinheilig lächelnd in der Praxis. Patienten, die sich ihm anvertrauten.
    Als er die Augen wieder öffnete, starrte sie ihn an. Er berührte vorsichtig ihre Wange.
    »Schlaf jetzt«, sagte er. »Versuch ein wenig zu schlafen. Ich komme heute Nachmittag wieder vorbei. Okay?«
    Sie sah ihn bloß an.
    Er saß noch eine Weile schweigend bei ihr, dann nickte er ihr zu und verließ das Zimmer.
     
    Draußen vor der Charité schaltete er das Handy ein.
    Er drückte auf eine Kurzwahltaste, einige Augenblicke später hatte er Landsberg am Apparat.
    »Wie sieht es aus?«
    »Unverändert.«
    »Was ist mit den Tauchern?«
    »Sie haben den Mantel gefunden.«
    »Nur den Mantel?«
    »Sie sind pausenlos im Einsatz. Und das Ufer wird abgesucht, überall.« Er seufzte. »Das volle Programm.«
    Trojan rieb sich mit der unverletzten Hand über die Stirn.
    »Wir finden ihn, Nils. Wir finden seine Leiche.«
    Er schwieg.
    »Bist du so weit okay?«, fragte Landsberg.
    Trojan beobachtete die Spatzen, die auf dem Vorplatz nach Nahrung suchten. Sie flatterten auf, schon kamen sie wieder, es wurden immer mehr, ein ganzer Schwarm.
    Er wandte den Blick ab.
    »Bis du noch dran?«

    »Ja. Mir geht es so weit gut.«
    »Hör zu, diesen Sturz überlebt kein Mensch. Die Spree ist an dieser Stelle nicht sehr tief und –«
    »Ich weiß.«
    Er hörte, wie Landsberg ins Telefon atmete.
    »Und noch etwas: Ich habe beim Staatsanwalt ein gutes Wort für dich eingelegt. Er ist bereit, das Ermittlungsverfahren wegen der Wasserglas-Geschichte bei Molls Vernehmung so bald wie möglich einzustellen.«
    »In Ordnung.«
    »Du hast gute Arbeit geleistet, Nils.«
    »Danke.«
    »Und was Brotter betrifft, halte ich dich auf dem Laufenden. «
    »Okay.«
    Sie legten auf.
    Trojan winkte sich ein Taxi heran.
    Etwa zwanzig Minuten später hielt es vor dem Haus in der Forsterstraße. Er zahlte und stieg aus. Er öffnete den Briefkasten und nahm die Reklamezettel heraus. Er stieg ins vierte Stockwerk hinauf und schloss seine Wohnung auf.
    Er wollte eine Dusche nehmen, sich die letzten achtundvierzig Stunden vom Körper abspülen, heiß und ausgiebig. Aber da er sich mit dem Gipsarm noch zu unbeholfen fühlte, hielt er nur das Gesicht unter den laufenden Wasserhahn und putzte sich die Zähne.
    Dann setzte er den Kaffee auf.
    Er nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und begann ihn gedankenverloren zu löffeln.

    Sein Blick fiel durch die geöffnete Tür auf den Anrufbeantworter im Flur. Erst jetzt sah er, dass er blinkte.
    Trojan stand auf und drückte auf die Taste.
    »Sie haben eine neue Nachricht«, sprach die automatische Stimme.
    Danach war es eine Weile still.
    Nur das Rauschen auf dem Computerchip war zu vernehmen.
    Schließlich wurde aufgelegt.
    Trojan starrte auf die blinkende Anzeige.
    Seine Hand zitterte.
    Nur ruhig, dachte er. Die Taucher werden seine Leiche finden.
    Er warf sich auf sein Bett und bemühte sich ruhig zu atmen. Er spürte, wie sein Herz hämmerte. Wieder tauchte Brotters Fratze vor ihm auf, er kämpfte mit ihm auf dem Dach, dann sah er ihn stürzen, wie in Zeitlupe, immer und immer wieder.
    »Sie werden seine Leiche finden«, sagte er laut.
    Er atmete ein und aus,
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