Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann
Autoren: Max Bentow
Vom Netzwerk:
vorzustellen. Wenn er sich nicht täuschte, müsste hinter der Tür am Ende des Raumes das Treppenhaus eines weiteren Gebäudeteils angrenzen.
    Er war schon drei Schritte vor der Tür, als ihn ein Geräusch innehalten ließ.
    Er drehte sich um.
    Langsam ging er zurück durch den Raum. Er blieb stehen und lauschte.
    Es war für einen Moment still, dann hörte er das Geräusch wieder. Es klang nach etwas Weichem, das gegen Holz schlug.
    In einer Nische entdeckte er eine kleine Tür, er ging auf sie zu. Sie war verschlossen. Wieder probierte er den Schlüssel, aber ohne Erfolg.

    Da die Tür nur aus morschem Holz war und nicht aus Eisen wie die Ateliertüren, begann er auf sie einzutreten.
    Schon bald splitterten die Holzlatten, er fasste durch einen Spalt hindurch und fingerte von innen nach dem Riegel.
    Er öffnete die Tür und fuhr augenblicklich zurück.
    Es wirbelte um ihn herum.
    Federn flogen auf.
    Die Gimpel irrten durch den Raum, wild flatternd und Schreie ausstoßend.
    Es waren viele, ein ganzer Schwarm.
    Trojan hielt die Arme über dem Kopf verschränkt.
    Er atmete tief durch. Konzentrier dich, dachte er, du bist nah am Ziel.
    Er ging zu der Eisentür, die der Kammer gegenüberlag, und drückte vorsichtig die Klinke hinunter, doch auch hier war abgeschlossen. Er presste das Ohr dagegen.
    Er hörte nichts außer seinem pochenden Herzschlag.
    Er untersuchte das Schloss.
    Danach trat er zur Seite, zückte die Waffe und zielte.
    Dann drückte er ab.
    Jaulend schoss der Querschläger durch den Raum.
    Die Vögel flatterten hektischer als zuvor und prallten gegen Fensterscheibe und Wände, einige segelten zu Boden.
    Er drückte ein zweites und ein drittes Mal ab.
    Das Schloss gab nach.
    Er schob ein neues Magazin in seine Waffe, sein letztes.
    Er stieß die Tür auf und kam in einen winzigen Vorraum. Von der Decke hingen unzählige Tücher, sie glitten ihm ins
Gesicht. Er musste sich mit Händen und Füßen einen Weg bahnen.
    Kurz darauf hatte er einen Raum mit hohen Decken erreicht, er war in schummriges Licht getaucht, dichte Vorhänge verbargen die Fenster. An der Wand stand ein einfaches Bett, mehr eine Pritsche, auf dem Laken entdeckte er Blutspuren.
    Er hielt die Waffe ausgestreckt und stieß die nächste Tür auf.
    Was er dahinter sah, raubte ihm den Atem.
    Da waren riesige Stelzen. Darauf stand jemand, breitbeinig.
    Es war Jana.
    Sein Blick wanderte hinauf zu ihren Haaren.
    Sie waren zu mehreren kleinen Zöpfen geflochten.
    Und die Zöpfe hingen weit oben an der Decke.
    Dort befand sich eine Laufschiene mit einem Gestell auf Rollen, daran hing ein großer Industriehaken. Und an diesem Haken waren ihre Zöpfe mit einer Kette verknotet.
    Unter ihr am Boden, genau zwischen ihren Beinen, lag eine Vogelmaske. Der Schnabel war ein langes Messer, er war an einer eisernen Spange befestigt, und die Spange war im Boden verschraubt.
    Jana schwankte. Kraftlos hielt sie sich auf den Stelzen.
    Wenn sie die Stelzen fallen ließe, wäre sie an ihren Haaren aufgehängt. Und sobald die Zöpfe rissen, würde sie in das offene Messer stürzen.
    Trojan wagte es nicht, ihren Namen zu flüstern.
    Doch sie hatte ihn bereits bemerkt.
    Vorsichtig bewegte sie die Augen in seine Richtung.

    Schon begann sie auf den Stelzen zu schwanken.
    Er riss sich von dem Anblick los, um den Raum zu überprüfen.
    Er erkannte die Fotos an den Wänden.
    Es waren Fotos der Opfer, in Serie. Der Verlust ihrer Haare wurde dokumentiert, ihre sich steigernden Qualen.
    In einer Ecke standen zwei nackte Kleiderpuppen.
    Trojan schwenkte die ausgestreckte Waffe durch den Raum.
    Er schlich sich hinein, den Finger immer am Abzug.
    Er bemühte sich, geräuschlos zu atmen.
    An einer Wand befand sich ein Arbeitsregal, das bis zur Decke hinaufreichte. Es war mit Malutensilien vollgestopft, da waren Papierrollen und Leinwandstapel, Kisten und Kartons.
    Die Wand gegenüber war mit Vorhängen verhängt.
    Niemand war zu sehen.
    Er schaute wieder zu Jana hin.
    Sie schwankte weit oben in der Mitte des Raumes über dem Messer, zittrig auf die Stelzen gestützt.
    Die Decke war mindestens fünf Meter hoch.
    Janas Gesicht war verzerrt.
    Sie sah ihn an.
    Seine Lippen formten lautlos eine Frage: »Wo ist er?«
    Sie reagierte nicht.
    Tränen liefen über ihr Gesicht, sie starrte ängstlich auf ihn herab.
    »Ist er weg?«, artikulierte er stumm.
    Doch es war ihr wohl aus dieser Entfernung nicht möglich,
von seinen Lippen abzulesen. Trojans Nackenhaare stellten sich auf. Etwas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher