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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin
Autoren: Boris Akunin
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besitzen. Es ist sehr schwer, um nicht zu sagen, unmöglich, jemanden dazu zu bringen, einen zu lieben. Aber Kuzenko ist ein Zauberer, er hat selbst das geschafft. Zwar musste er die Dame am Anfang ein bisschen verunstalten, aber das hat er später wieder in Ordnung gebracht, er hat ja geniale Hände. Und dass er ihr die Eierstöcke herausoperiert hat, das hat er nur getan, damit sie niemand außer ihm liebt und er ihre Liebe nicht mit Kindern teilen muss. Ich habe natürlich keine Beweise dafür, aber ich bin überzeugt davon, dass die ganze Geschichte mit der tödlichen Krankheit reine Erfindung ist. Er hat die Untersuchungen in seiner Klinik gemacht, hat die Diagnose gestellt und selber operiert. Na, so ein Schachweltmeister!«
    Das Mädchen hörte ihm mit offenem Mund zu. Als er fertig war, schloss sie den Mund, tippte dem Fahrer auf die Schulter und befahl:
    »Wir fahren zurück. Dreh um!«
    Der bremste und sagte ärgerlich:
    »Herrschaften, ihr habt sie wohl nicht mehr alle! Wir haben abgemacht: dreihundert bis zum Zentrum. Und da soll ich hier abbiegen, da eine halbe Stunde warten und da auch noch wieder umdrehen. So geht das nicht.«
    »Hundert Bucks«, sagte Mira. »Reg dich ab. Mach, was ich sage!«
    Der Fahrer regte sich prompt ab. Er schoss aus dem Stand über den Doppelstreifen und wendete, dass die Steinchen nur so unter den Rädern wegspritzten.
    »Was willst du denn?«, fragte Nicholas erschrocken. »Willst du zurück nach Trost? Wozu?«
    »Wer zwingt mich eigentlich dazu, aus meinem Haus auszuziehen?«, sagte sie, wobei sich ihre Augen verengten. »Ich bin Mirat Leninowitsch Kuzenkos legitime Tochter, ich habe sogar einen neuen Paß. Das ganze Land kennt die Story von Papa und mir.«
    »Willst du . . . Willst du dich an ihm rächen?«
    »Gegen Betrüger und Schweine muss man sich zur Wehr setzen«, sagte Miranda kategorisch. »Was hatte dieser Schweinehund denn mit mir vor? Und er hätte es ja auch getan, wenn du nicht wärst! Und mit Inga? Hat ihr Gesicht verunstaltet, in ihrem Unterleib rumgeschnipselt, im Endeffekt ihr Hirn ausgeweidet und sie in ein Schoßhündchen verwandelt! Das darf man nicht ungestraft durchgehen lassen!«
    Fandorin griff nach ihrer Hand:
    »Willst du das denn Inga erzählen? Wehe! Und außerdem wird sie das sowieso nicht wahrhaben wollen!«
    »Natürlich wird sie es nicht wahrhaben wollen. Am Anfang. Aber dann wird sie sich daran erinnern, wie alles gewesen ist, und ins Grübeln kommen. Sie wird ihn angucken und raten: Stimmt es oder stimmt es nicht?« Miranda lächelte verträumt. »Er liebt nur sie, mehr als alles andere auf der Welt? Dann soll er die Quittung dafür kriegen! Das hast du mir doch selber beigebracht, weißt du noch? Als wir über Jack the Ripper gestritten haben. Man muss das Böse bekämpfen, man darf nicht einfach vor ihm in die Knie gehen!«
    Er schüttelte erregt den Kopf, er fürchtete, jetzt nicht die richtigen Worte zu finden.
    »Hör mal . . . Du bist doch eigentlich erwachsen und nicht dumm und verstehst was von der Welt. Es kommt einem nur so or, als ob man gegen das Böse in der Außenwelt kämpft. In Wirklichkeit kann man nur gegen das Böse in seinem Inneren kämpfen nd Kleinmut, Habsucht und Egoismus bei sich selber überwinden. Der Sieg über das Böse ist der Sieg über das Böse in dir selbst. Wenn man das Böse mit unlauteren, unrechten Mitteln besiegt, ist das kein Sieg, sondern eine Niederlage. Weil das Böse sich dann von außen in dein Inneres verlagert, und was siegt, ist nur es selber, während du der Verlierer bist. Ganz schön verworren, was ich da sage! Verstehst du, was ich sagen will?«
    Mira schwieg, sah ihn von der Seite an und sagte dann:
    »Gut. Heute erfährt sie es nicht von mir . . .«
    Es war klar, dass bei ihr nichts mehr zu machen war. Fandorin sehnte sich zurück und schloss die Augen. Was für ein schwerer, endloser Tag, dachte er, und fühlte sich um zehn Jahre gealtert.
    Zitat des Schlusssatzes von Bunin »Der Sonnenstich«

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    MUCH ADO ABOUT NOTHING oder
VIEL LÄRM UM NICHTS
    (Shakespeare, 1598)
    Ich bin noch keine sieben Jahre alt und fühle mich wie siebzig, dachte Mithridates, der das bemitleidenswerte Gesicht seines Vaters vor Augen hatte. Seine Tränen trockneten von selbst – was Weinerlichkeit betraf, da konnte er es ohnehin nicht mit seinem Vater aufnehmen. Und worüber sollte er auch weinen? Sie konnten ihm doch alle gestohlen bleiben mit ihrem Leben, wenn das so aussah. Dann war
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